Beirut. Proteste nach dem Mordanschlag auf den libanesischen Geheimdienstchef Wissam al Hassan sind am Wochenende mehrfach in Gewalt umgeschlagen. Al-Hassans Beerdigung wurde am Sonntag von heftigen Protesten gegen die Regierung im benachbarten Syrien begleitet.

Die Gewalt im Libanon hält an. Bei nächtlichen Kämpfen zwischen bewaffneten Schiiten und Sunniten wurden nach Angaben der libanesischen Sicherheitskräfte vom Montag mindestens zwei Menschen getötet und 16 verletzt. Zusammenstöße wurden aus zwei Stadtvierteln der Hauptstadt
Beirut, aber auch im Norden und Süden des Landes gemeldet. Soldaten hätten die Kämpfe in Beirut bis zum Morgen stoppen können. Auch in Tripoli im Norden des Landes kam es zu heftigen Kämpfen in der Nacht.

Schwere Ausschreitungen haben im Libanon eine Trauerfeier für den getöteten Geheimdienstchef des Landes überschattet. Aufgebrachte Demonstranten versuchten am Sonntag nach der Kundgebung für Wissam al Hassan, den Sitz des Ministerpräsidenten in Beirut zu stürmen. Soldaten trieben die Menge mit Tränengas und Warnschüssen auseinander.

Syrien soll hinter dem Attentat im Libanon stecken

Viele Libanesen beschuldigten die syrische Regierung von Präsident Baschar Assad, hinter dem Attentat vom Freitag zu stecken. Dieser traf sich am Sonntag mit dem UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi in Damaskus. Während der Gespräche gab es mehrere Anschläge und Kämpfe.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich angesichts der jüngsten Entwicklungen in Syrien und im Libanon "sehr besorgt über die wachsende Gefahr eines Flächenbrandes in der Region". Es müsse alles getan werden, damit der syrische Bürgerkrieg nicht auf den Libanon übergreife, erklärte ein Sprecher des Außenministers am Sonntag in Berlin. Zudem sprach er Brahimi seine Unterstützung aus und nannte die Gespräche eine wichtige Chance.

Nach Trauerfeier folgte Sturm auf Regierungssitz

In Beirut gaben Tausende Libanesen dem bei einem Bombenanschlag getöteten Geheimdienstchef Wissam al Hassan das letzte Geleit. Sie strömten zur Beisetzung auf dem Märtyrerplatz zusammen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm, der Platz wurde für Fahrzeuge gesperrt, die Menschen vor der Trauerfeier durchsucht. Zudem errichtete die Polizei zahlreiche Straßensperren.

Die Trauernden schwenkten libanesische Flaggen und beschuldigten Syrien, hinter dem Anschlag vom Freitag zu stecken. Neben Al Hassan waren dem Attentat sieben weitere Menschen zum Opfer gefallen. Dann schlug die Trauer in Wut um: Tausende Demonstranten zogen in Richtung Serail, dem Amtssitz von Ministerpräsident Nadschib Mikati. Einigen Hundert gelang es, Polizeiketten zu durchbrechen und fast bis zum Eingang vorzudringen. Soldaten schossen in die Luft und setzten Tränengas ein, um die Erstürmung verhindern. Auf TV-Bildern waren verletzte Zivilisten zu sehen.

Al Hassan, ein scharfer Gegner Syriens, hatte Ermittlungen gegen den früheren Informationsminister Michel Samaha geleitet, einen der engsten Verbündeten Damaskus' im Libanon. Samaha war am 9. August verhaftet worden und wurde wegen der Planung von Terroranschlägen angeklagt. Neben ihm wurde auch der syrische Geheimdienstchef Ali Mamluk in Abwesenheit angeklagt.

USA wollen bei Aufklärung helfen

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte am Sonntag, es sei eine Rolle Syriens bei dem Anschlag zu vermuten. Alles deute darauf hin, "dass es eine Ausweitung der syrischen Tragödie ist", betonte er im Rundfunksender Europe 1. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schaltete sich ebenfalls ein. Im Telefonat mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman unterstrich er die Souveränität des Landes und wie wichtig es sei, dass das Land Distanz halte zu den Ereignissen in der Region, teilte ein UN-Sprecher mit.

US-Außenministerin Hillary Clinton hat dem libanesischen Regierungschef Nadschib Mikati die Hilfe der USA bei der Aufklärung des Bombenattentats von Beirut zugesichert. In einem Telefonat seien Clinton und Mikati überein gekommen, "dass die USA bei den Ermittlungen Unterstützung leisten", sagte Außenamt-Sprecherin Victoria Nuland am Sonntag. Gleichzeitig habe Clinton das Bekenntnis der USA zur "Stabilität, Unabhängigkeit, Souveränität und Sicherheit des Libanon" betont.

Bundesregierung ist besorgt über die Lage

Die Bundesregierung befürchtet ein Übergreifen der Gewalt in Syrien auf den
benachbarten Libanon.
Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) sehe die Entwicklung im Libanon "mit größter
Sorge", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Es
müsse alles getan werden, um ein Übergreifen der Gewalt in Syrien auf den Libanon zu verhindern.

Seibert sagte, Merkel verurteile auf das Schärfste den Mordanschlag
auf Geheimdienstchef Wissam al Hassan. Er wurde vorige Woche bei einem
Bombenanschlag getötet. Die Verantwortlichen müssten so schnell wie möglich
ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden.

Noch keine Vereinbarung über Waffenruhe

Bei dem sonntäglichen Treffen des Syrien-Sondergesandten von UN und Arabischer Liga, Brahimi, in Damaskus mit Präsident Assad war der Plan einer Waffenruhe während des am kommenden Freitag beginnenden islamischen Opferfests Thema. Oppositionsgruppen hätten ihm diesbezüglich Unterstützung, aber keine festen Zusagen gegeben, sagte Brahimi nach der Unterredung. Zu einer Reaktion Assads ließ Brahimi nichts verlauten. Die syrische amtliche Nachrichtenagentur SANA meldete aber, Assad habe Brahimi versichert, er unterstütze seine Bemühungen.

Assad habe gesagt, "er sei offen für alle ernsthaften Anstrengungen, eine politische Lösung für die Krise zu finden" - auf der Grundlage, "dass die syrische Souveränität respektiert und eine ausländische Einmischung abgelehnt werde". Zuvor hatte das Regime den Plänen wenig Chancen gegeben, da es keine einheitliche und zuverlässige Rebellenführung gebe, mit der die Waffenruhe besiegelt werden könne.

Die Friedensbemühungen des UN-Sondergesandten wurden am Sonntag von einem Bombenanschlag mit mindestens 13 Toten Damaskus überschattet, am Samstag waren bei schweren Gefechten über 60 Menschen umgekommen. (dapd/afp)