Berlin. . Die Universität Kiel hat das „Jahrbuch Terrorismus“ veröffentlicht: 2011 gab es weltweit 3408 Terroranschläge mit 7269 Todesopfern und 14.250 Verletzten; zwei Drittel der Opfer waren Zivilisten. Deutschland droht Gefahr durch Kleingruppen und Einzeltäter. Vor allem aber die Lage in Syrien bereitet Experten Sorgen.
Die Polizisten hatten die Bombe noch entdeckt, aber es half ihnen nichts mehr: Als ihr Fahrzeug gestern die Sprengfalle in Nad Ali in der afghanischen Provinz Helmand passierte, wurde die Bombe von radikalislamistischen Taliban gezündet. Mindestens sechs Männer der afghanischen Polizei starben.
Weltweit werden im Durchschnitt täglich zehn Attentate wie dieses verübt. Experten vom Institut für Sicherheitspolitik der Uni Kiel haben eine erschütternde Bilanz vorgelegt. Nach ihren Zahlen, zusammengefasst im „Jahrbuch Terrorismus 2011/2012“, kam es im vergangenen Jahr rund um den Globus zu 3408 Terroranschlägen mit 7269 Todesopfern und 14 250 Verletzten; zwei Drittel der Opfer waren Zivilisten.
Hinter den Attacken mit Bomben, Minen, Schusswaffen oder Granaten steckten überwiegend Organisationen extremistischer Islamisten oder Täter aus ihrem Umfeld, sagt Institutsdirektor Joachim Krause: „Terrorismus ist ein Phänomen mit vielen Facetten.“ Und eine anhaltende Bedrohung: Wenn man allein alle mit dem islamistischen Terror-Netzwerk El Kaida verbündeten Milizen und Organisationen zusammenzählt, sind Krause zufolge weltweit 100.000 bis 130.000 bewaffnete Extremisten zu Terroranschlägen bereit – auch wenn der harte Kern von El Kaida selbst auf 300 bis 500 Kämpfer geschrumpft sei.
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Am stärksten vom Terror betroffen ist der Irak, wo im Vorjahr bei 1672 Anschlägen 2349 Menschen ums Leben kamen – erst vor wenigen Wochen starben bei einer Anschlagsserie an einem einzigen Tag rund 100 Menschen. Es folgen auf dieser Rangliste Afghanistan (684 Anschläge) und, mit deutlichem Abstand, Pakistan (299), Thailand (178), Kolumbien (108), Russland (82), Philippinen (74), Indien (66), Nigeria (39) und Jemen (23).
Zahl der Opfer geht zurück
Die einzig gute Nachricht: Die Zahl der Todesopfer ist rückläufig, 2007 wurden noch dreimal mehr Terror-Tote als 2011 gezählt.
Inwieweit die überwiegend von salafistischen Dshihadisten begangenen Attentate noch vom El-Kaida-Netzwerk gesteuert werden, ist für Experten nicht klar erkennbar. „Der harte Kern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ist geschrumpft und kaum noch zu operativen Anschlagsplanungen in Europa und den USA in der Lage“, sagt Krause. Die Anschläge vom 11.September 2001 würden sich kaum wiederholen. Auch der Versuch von El Kaida, die Macht in Afghanistan an sich zu reißen, ist offenbar gescheitert - ihr Einfluss wird von den zahlenmäßig weit überlegenen Taliban begrenzt.
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Aber Ablegerorganisationen oder verbündete Gruppen haben sich erfolgreich im Mittleren Osten, Nordafrika, Süd- und Südostasien etabliert. Sie versuchen dort, die Macht in einzelnen Regionen oder ganzen Staaten zu übernehmen - im Jemen etwa, Somalia oder in Nord-Mali.Sorge macht den Experten die Lage in Syrien: Dort beteilige sich El Kaida am Kampf gegen das Assad-Regime, um Einfluss zu gewinnen.
Ein Risiko gibt es auch in Deutschland
Und Deutschland? Nach wie vor bestehe die Gefahr eines Anschlags islamistischer Terroristen, vor allem durch Kleingruppen oder Einzeltäter, warnen die Terrorismusexperten. Etwa 1000 Personen zählen hierzulande zum islamistisch-terroristischen Spektrum. Alle neueren, aufgedeckten Anschlägspläne hatten eine Verbindung zu Pakistan. Über 250 Extremisten sind von Deutschland aus dorthin oder nach Afghanistan zur Terror-Ausbildung gereist, etwa die Hälfte inzwischen zurückgekehrt. Fazit der Experten: Die deutschen Sicherheitsbehörden müssten lernen, mit schwer kalkulierbaren Risiken durch Spontan- oder Einzeltäter umzugehen.