Düsseldorf. Vier junge Männer aus Düsseldorf, Bochum und Gelsenkirchen vor dem Richter: Die mutmaßliche Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle soll ein Blutbad in Deutschland geplant haben. Zum Auftakt des Terrorprozesses offenbarte die Anklage einige Schwächen. Die Verteidigung forderte die Einstellung des Verfahrens. Abgelehnt!
Drei-Tage-Bart, offenes Lächeln, Daumen hoch, Kopfhörer um den Hals, Umarmung des Bruders im Geiste: Abdeladim El-K. scheint gut drauf wie Tausende sonniger Jungs in den Fußgängerzonen. Die wenigsten davon landen im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Dort wird Terroristen der Prozess gemacht. El-K. soll einer sein, ein ganz gefährlicher: Kopf der mutmaßlichen Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle. Die steht seit Mittwoch vor Gericht. Vielleicht ein denkwürdiger Prozess. Denn gleich am ersten Tag wackelte die Anklage bedenklich.
Aus El-K.s Kopfhörer kommen keine heißen Beats, sondern schwere Vorwürfe. Der 31-jährige Hauptverdächtige soll erst den Düsseldorfer Jamil S., dann den Bochumer Amid C. (21) und den Gelsenkirchener Halil S. (28) für das Terrornetzwerk Al-Qaida gewonnen und für geplante Anschläge in Deutschland gedrillt haben. Laut Anklage lernte El-K. in einem Terrorcamp der Al-Qaida in Waziristan den Umgang mit Waffen, Sprengstoffen, verschlüsselten Nachrichten und konspirativen Lebensformen. Er soll direkten Zugang zur Al-Qaida-Spitze gehabt haben. Anführer des Terrornetzwerks hätten ihn regelrecht ferngesteuert, heißt es. Das sei „nachweisbar“, sagt Bundesanwalt Michael Bruns. Was gerichtsfest beweisbar ist, sagt er nicht.
Zum Blutbad bereit
Da beginnen die Schwachstellen der Anklage. Ein konkretes Anschlagsziel hatten die Düsseldorfer Zellen-Genossen offenbar nicht im Auge, „nur Anschlagsvorstellungen“, wie Bruns einräumt. Und beim Basteln der Bombe für den großen Knall, der Deutschland erschüttern sollte, taten sich die Verdächtigen schwer: Der Versuch des Maschinenbaustudenten El-K., Initialsprengstoff herzustellen, scheiterte.
Erst schaffte Jamil S. nicht das nötige Aceton herbei. Dann erwiesen sich deutsche Grillanzünder als zu harmlos. Statt des erhofften Hexamins, mit dem Grillkohle in Pakistan entflammt wird, enthielten die deutschen Anzünder nur Paraffin. Damit funktioniert keine Bombe. Die Bastler wollten ihr Werk aber ausprobieren. Als Ermittler das Wort „Test“ mithörten, wurde es ihnen zu heiß. Im April 2011 griffen sie zu.
Zu einem Blutbad bereit erschienen mindestens zwei. Darauf deutet eine Wasserstandsmeldung hin, in der El-K. und Amid C. dem Al-Qaida-Führer Shaikh Atiyatallah „entweder Sieg oder Märtyrertum“ versprechen. El-K. gelobt, er werde einige Jugendliche trainieren und dann „mit dem Schlachten der Hunde der Söhne des Gelben anfangen“. Diese Passage stützt einige Teile der Anklage, gibt aber auch einige Rätsel auf. Die Hunde – das sollen die ungläubigen Deutschen sein. Wer aber sind der oder die Gelben? „Die Europäer“, sagt Bundesanwalt Bruns und schiebt hinterher: „So interpretieren wir das.“ Ob die Auslegung zu einer Verurteilung reicht, lässt er offen.
Verteidigung: Anklage verwehrt vollständige Akteneinsicht
Die Vorwürfe lauten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. El-K. und Jamil S. sollen von einer mit Metallteilen gespickten Splitterbombe gesprochen haben, die sie „in einer größeren Menschenmenge zur Explosion bringen wollten“. Beim Eintreffen von Polizei und Sanitätern nach der ersten Detonation sollte eine weitere Explosion ausgelöst werden, behauptet die Bundesanwaltschaft.
Bei Jamil S. habe man einen Text gefunden, „der für ein Bekennervideo hätte verwendet werden können“. Darin stehe, er habe sich „bedingungslos dem Dschihad“ verschrieben und seine „Seele Allah verkauft“. Damit drohe „Mord und Totschlag“. Diesen Reim hält die Verteidigung für „reine Spekulation“. Sie ging gestern zum Gegenangriff über. Die Bundesanwaltschaft verwehre vollständige Akteneinsicht. Statt alle Audiodateien mitgelauschter Gespräche zu bekommen, seien „nur Gesprächsfetzen“ übermittelt worden. Das öffne Datenmanipulation die Tür, sagte Anwalt Lutz Eisel und ergänzte, das wäre kein Einzelfall: „Es ist offenkundig, wie Staatsschutzbehörden mit Dateien umgehen. Es braucht nur einen Mausklick ...“, spielte er auf die gelöschten NSU-Daten des Verfassungsschutzes an.
Vorstöße der Verteidigung zielten auf die Aussetzung beziehungsweise Einstellung des Verfahrens. Sie wurden abgelehnt. Dennoch bröckelt die Anklage – zum Vorteil von Halil S., dem Bochumer, den die GSG 9 aus seiner Studentenbude geholt hatte. Mittlerweile hält der Bundesgerichtshof ihn nicht mehr für ein Al-Qaida-Mitglied. Nur die Unterstützung der Terrorgruppe stehe noch im Raum, sagt sein Anwalt Henry Alternberg.
Der Prozess wird fortgesetzt.