Essen. Peer Steinbrück stellt sich bei Günther Jauch in der ARD dem Kanzlerkandidaten-Check. Kein leichtes Spiel für den sonst so eloquenten Redner, steht er doch momentan wegen seiner hohen Nebeneinkünfte in der Kritik. Bei Jauch gibt er sich bewusst als SPD-Politiker der alten Schule: Die einfachen Arbeiter unterstützen mit fairen Löhnen, so lautet sein Wahlkampfthema. So ganz abnehmen kann man ihm das nicht.
Demnächst steht bei Ihnen eine Feier zu einem runden Geburtstag an, und die Abba- Coverband aus der Nachbarstadt ist ausgebucht? Dann mieten Sie sich zur Abwechslung doch mal einen Kanzlerkandidaten! Peer Steinbrück gibt es schon ab 7000 Euro, manchmal gibt er auch Rabatt. Wenn Sie so viel gerade nicht flüssig haben, werfen die Gäste vielleicht alle zusammen, wäre doch möglich.
Schon klar, Politik ist eine ernste Sache, die veräppelt man bitteschön nicht. Und Herr Steinbrück hat doch ein Recht auf Privatleben, Vorstandsvorsitzende verdienen zehn Mal mehr als Spitzenpolitiker, das ist auch nicht gerecht, und überhaupt ist Steinbrück kein Alleinunterhalter, sondern wennschon dann ein Experte, der Vorträge zu seinem Fachgebiet hält. Sie haben ja recht. Dennoch mischt sich in alle diese rationalen Erklärungen ein bitterer Beigeschmack wenn man hört, dass die Internetplattform Abgeordnetenwatch.de Steinbrücks bisherige Einkünfte durch seine Reden auf 600.000 Euro schätzt. Und er sogar Bundestagssitzungen geschwänzt haben soll, um anderswo hochdotierte Vorträge zu halten. Na Herr Jauch, da müssen Sie jetzt aber mal nachhaken!
Peer Steinbrück hat nichts zu verbergen: „Ich lege gerne alle Daten offen.“
Aber ein Gentleman wie Günther Jauch weiß, dass man nicht mit der Tür ins Haus fallen darf. Also plaudert er zunächst unbeschwert drauflos und wiegt seinen einzigen Talkgast an diesem Abend in einer gewissen heimeligen Sicherheit. Warum er denn jetzt Kanzler werden wolle, obwohl er doch 2010 in einem Interview behauptet habe, dass dieser Zug für ihn abgefahren sei? Seine Meinung habe sich eben geändert. Was denn Frau Steinbrück von dieser Idee halte? Begeistert sei sie nicht, aber er wolle seine Familie auch nicht in die Öffentlichkeit ziehen, sagt Steinbrück, und trifft mit dieser Maxime bei Günther Jauch vollste Zustimmung. Und als die Zuschauer auf den Sofas daheim sich gerade vor Langeweile die Sockenfusseln zwischen den Zehen rauspulen, geht Günther Jauch zur Attacke über: Wie war das jetzt nochmal mit den Nebeneinkünften?
Da hat Peer Steinbrück, so betont er immer wieder, nichts zu verbergen. Transparenz heißt das Zauberwort. „Ich lege gerne alle Daten offen“, behauptet er, will aber nicht sagen, wie hoch die einzelnen Honorare denn nun wirklich waren. Bei einigen Anfragen, etwa von Universitäten, Schulen oder caritativen Einrichtungen, habe er auch mal ein Auge zugedrückt oder gar nichts verlangt. Andere Vorträge oder Expertenbeiträge, auch in Firmenzeitschriften, ließ er sich hingegen mit mindestens 7000 Euro gut bezahlen. Es könnte aber auch das Doppelte gewesen sei, oder das Dreifache. Dazu möchte Steinbrück aber auch bei Günther Jauch lieber schweigen, laufende Verträge würden dies verhindern. Wer`s glaubt.
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Ein Politiker, der seine Bekanntheit zu Geld macht
„Ich habe mich an Recht und Gesetz gehalten“, betont der Kanzlerkandidat weiter. Die Moral hat er dabei leider vergessen. Dass der denkende Bürger und geneigte Wähler Steinbrücks finanziellen Erfolg nämlich weniger toll findet, wie er selber, hat zwei einfache Gründe:
Erstens: Peer Steinbrück vermarktet sich selbst als Finanzexperte, der er als ehemaliger Finanzminister und Mitglieder Troika ja auch ist. Seine Popularität rührt aber aus der Öffentlichkeit, die er als Politiker bekommt. Wenn Sie einen Experten zu einem Thema suchen, und Ihnen sofort jemand passendes einfällt, suchen Sie ja auch nicht mehr lange nach Alternativen. Steinbrücks Bekanntheit, sein Wissen und sein Redetalent führen dazu, dass die Nachfrage nach seinen Leistungen groß ist. „Ich habe eine Nachfrage und einen Markt“, erklärt er bei Jauch. Steinbrücks Einwand, dass Politiker auch Privatpersonen mit Privatsphäre seien, und sich bei allzu großer Transparenzpflicht bald kein Freiwilliger für diesen Job finden werde, wirkt wie ein schwacher Rechtfertigungsversuch.
Was sind faire Löhne?
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Zweitens: Nach seinen Wahlkampfthemen befragt, gibt sich Peer Steinbrück bei Günther Jauch ganz volksnah. Faire Löhne für ehrliche Arbeit, Einkommensarmut verhindern, da könnten die Menschen auch mehr sparen für die Rente, womit auch dieses Problem gelöst wäre. Nur was sind faire Löhne? Ist es fair, wenn eine Altenpflegerin, die in ihrem Beruf sowohl physisch als auch psychisch Schwerstarbeit leistet, nur 1700 Euro brutto verdient? Was ist mit Leiharbeitern im Supermarkt, mit Müllmännern, Friseuren, Hebammen, Fabrikarbeitern? Wie viele Stunden harter Arbeit stecken in Peer Steinbrücks 7000-Euro-Vorträgen? Was fair ist, bestimmt nicht die Politik, sondern noch immer der Markt, auf den sich auch der Kanzlerkandidat bei seinen Preisen beruft. Und wenn er sich persönlich diesem beugt, wie will er dann deutschlandweit höhere Löhne für die industrielle Reservearmee einfordern?
Wenn Sie wissen wollen, ob Herr Steinbrück als Bundeskanzler das Geld von den Reichen nehmen und es den Armen geben möchte, und wie viel von diesem Geld von seinem Konto stammt, sollten Sie ihn wirklich für die nächste Geburtstagsparty buchen: telefonisch unter 030/22771340 oder per E-Mail an peer.steinbruek@bundestag.de