Brüssel. EU-Experten um Finnlands Zentralbankchef Erkki Liikanen fordern eine rechtliche Aufspaltung von Banken in Risiko- und Kundengeschäft. So soll das Bankensystem an Stabilität gewinnen und der Verbraucherschutz verbessert werden. Deutschland lobte die Vorschläge. Sie sollen in die weitere EU-Gesetzgebung einfließen.
Damit Steuerzahler in Zukunft nicht mehr für milliardenschwere Bankenrettungen geradestehen müssen, fordern EU-Experten die Spaltung von Banken in Kundenabteilungen und risikoreiche Investmentsparten. Das Expertengremium um Finnlands Zentralbankchef Erkki Liikanen schlug am Dienstag eine rechtliche Trennung von besonders risikoreichen Finanzaktivitäten und dem Kundengeschäft vor. Die Vorschläge erhielten in Deutschland Lob.
Der für die Finanzmarktregulierung zuständige EU-Kommissar Michel Barnier hatte eine elfköpfige Expertengruppe um Liikanen ins Leben gerufen; im Februar nahm das Gremium die Arbeit auf. Die Experten sollten als Reaktion auf die internationale Finanz- und Bankenkrise die bisher in Angriff genommenen Maßnahmen prüfen und Vorschläge machen, wie das Bankensystem stabiler gemacht und die Verbraucher besser geschützt werden können.
Auflösung der Bank im Krisenfall soll erleichtert werden
Die Liikanen-Gruppe schlug nun vor, das spekulative Investmentgeschäft in einer Bank ab einer bestimmten Größe rechtlich vom Kundengeschäft zu trennen. Dadurch solle das von der Investmentabteilung ausgehende Risiko für die Verbrauchersparte einer Bank sowie für den Steuerzahler begrenzt werden. Von Oktober 2008 bis Oktober 2011 haben die EU-Länder Steuergelder im Umfang von 4,5 Billionen Euro aufgebracht, um Krisenbanken zu stützen.
Die Idee der Expertengruppe: Verspekuliert sich eine Bank mit Risikopapieren, ist von den Verlusten nur das Investmentgeschäft betroffen. Einen Rettungseinsatz mit Steuergeld wollen die EU-Experten durch die Aufspaltung der Banken unnötig machen. Im Krisenfall könnte dann der Investmentteil einer Bank abgewickelt werden. Eine Trennung würde Bankengruppen transparenter machen und ihre Aufsicht und Auflösung im Krisenfall erleichtern, argumentierte Liikanen.
Aufbau einer einheitlichen Bankenaufsicht hat Priorität
EU-Kommissar Barnier kündigte an, die Vorschläge der Experten sollten in die weitere EU-Gesetzgebung einfließen. Ganz oben auf der Tagesordnung steht für die EU-Kommission jedoch zunächst der Aufbau einer einheitlichen Bankenaufsicht in der Eurozone.
Es sei richtig, durch die Spaltung von Banken eine "hohe Brandmauer" zwischen Kundenabteilungen und risikoreichen Investmentsparten einzuziehen, erklärte der Chef der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber.
Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß betonte, dass die Vorschläge aus Brüssel in dieselbe Richtung wiesen wie das Bankenkonzept des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Der Bundesregierung warf er "Untätigkeit" bei der Regulierung des Finanzmarkts vor. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick bezeichnete die Vorschläge aus Brüssel als "Meilenstein auf dem Weg zur Lösung der Großbankenproblematik".
Deutsche Kreditwirtschaft reagiert ablehnend
Kritik kam aus der Linkspartei. "Der Vorschlag der EU-Expertengruppe zur Bankenregulierung bietet keinen wirksamen Schutz vor der Finanzmafia", bemängelte Linken-Vizechefin Sahra Wagenknecht. Sie sprach sich für weitergehende Schritte aus: "Großbanken müssen in Europa zerschlagen und volkswirtschaftlich schädliche Zockerpapiere verboten werden."
Die deutsche Kreditwirtschaft reagierte mit Ablehnung. Eine Aufspaltung von Banken beschränke die "Möglichkeiten der bankinternen Risikostreuung", erklärten die Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Deutschland verfüge über ein "historisch gewachsenes und bewährtes Universalbankensystem". Der Finanzstandort Deutschland sei in der Expertengruppe der EU unzureichend repräsentiert gewesen. (afp)