Berlin. . Viele Bundeswehr-Soldaten erleiden im Einsatz seelische Verwundungen. Die Zahl der traumatisierten Soldaten steigt von Jahr zu Jahr. Experten vermuten, dass die Dunkelziffern sehr hoch ist. Till Schweigers Spielfim „Schutzengel“ greift das sensible Thema auf.
Til Schweiger hatte „den besten Berater überhaupt“. Ein ehemaliger britischer Elitesoldat schrieb mit ihm das Drehbuch zu „Schutzengel“, ein Kinofilm über einen Soldaten, der traumatisiert aus dem Afghanistan-Krieg zurückkehrt. Als Schweiger den Film in Berlin im Beisein von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte, waren die über hundert anwesenden Bundeswehr-Soldaten gerührt, genauso im afghanischen Mazar-e Sharif, wo Schweiger zuvor den „Schutzengel“ der Truppe vorgeführt hatte.
Der Film, der gerade in den Kinos anläuft, verarbeitet eines der sensibelsten Themen der Bundeswehr: post-traumatische Belastungsstörungen (PTBS). Wie aktuelle Studien zeigen, steigt seit 2008 die Gesamtzahl der Soldaten, die nach Einsätzen im Kosovo oder Afghanistan traumatisiert sind und ärztliche Betreuung brauchen.
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„Jeder zweite Fall wird nicht erkannt“
2008 zählte die Bundeswehr 255-PTBS-Patienten, im Folgejahr 455, im Jahr 2010 dann 729 und 2011 inzwischen 922. Weibliche Soldaten und Kosovo-Heimkehrer sind offenbar besonders gefährdet. Darauf deutet eine Studie des Berliner Bundeswehr-Krankenhauses hin. Die Psychologen vermuten auch eine hohe Dunkelziffer. Nach der Befragung von 1488 Soldaten, die aus Afghanistan zurückkehrten, schätzt der Dresdner Wissenschaftler Hans-Ulrich Wittchen die Dunkelziffer auf 45 Prozent: „Mindestens jeder zweite PTBS-Fall wird nicht erkannt.“
Dabei steckt die Bundeswehr ihre Einsätze vergleichsweise gut weg. Die Soldaten werden vor und nach den Einsätzen betreut. Im Durchschnitt werden sie auch nur vier Monate im Ausland eingesetzt. Danach bleiben sie 24 Monate in Deutschland. Da ist die Situation der US-Soldaten ungleich härter. Sie bleiben meist ein Jahr lang in Afghanistan. Das bedeutet zwölf Monate Leben in Feldlagern, lange Trennung von zu Hause, dazu die Belastung im Gefecht.
Die seelischen Verwundungen
Beispiel Bundeswehr: 85 Prozent aller im Ausland eingesetzten Soldaten berichten zumindest von einem, in der Regel sogar von mehreren belastenden Erlebnissen. Von den befragten Soldaten gaben knapp 30 Prozent an, Leichen oder Leichenteile gesehen zu haben. 32 Prozent wurden mit verletzten und kranken Frauen oder Kindern konfrontiert, ohne ihnen helfen zu können. Kein Wunder also, dass viele Soldaten psychisch krank werden, schlecht schlafen, Depressionen haben. Es sind die seelischen Verwundungen.
Die Amerikaner kommen bei PTBS auf Raten von bis zu 20 Prozent – die Bundeswehr auf gut zwei Prozent, beim Einsatz in Afghanistan auf genau 2,9 Prozent. In der Größenordnung liegt die Rate auch bei Briten und Israelis. Das Risiko, traumatisiert zu werden, steigt offenbar ab dem sechsten Monat im Einsatz deutlich an.
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Das ist auch der Grund dafür, dass die viel länger stationierten US-Soldaten ungleich härter dran sind als ihre deutschen Kameraden. Die „New York Times“ brachte es brutal auf den Punkt: Statistisch kommen auf jeden im Gefecht gefallenen GI weitere 25 Todesopfer – es sind die Selbstmorde traumatisierter Kriegsveteranen.