Plettenberg.
Selbstmordanschläge, ausgelöst durch ein verhöhnendes Video, Sprengfallen, Beschuss durch Rebellen – das ist eine Seite von Afghanistan. Die andere ist das relativ friedliche Cap Marmal. Von dort ist der heimische Facharzt Martin Boncek kürzlich nach seinem 6. Einsatz zurückgekehrt.
ISAF-Soldaten erleben die tägliche Gefahr im Einsatz – auch die Notärzte, die sie im Kampf begleiten. „Sie müssen sich deren Arbeit vorstellen wie einen Feuerwehreinsatz, der zusätzlich durch den Beschuss und die Sprengfallen erschwert wird“, schildert der Plettenberger Facharzt für Psychosomatik Martin Boncek Lage vor Ort.
Für den 53-Jährigen gibt es auch eine andere Seite: Teamarbeit und Routine im Feldhospital Mazar-i Sharif, also in der Etappe. Im August ist er zurückgekehrt aus der Region. Seine Frau und die drei Kinder sind froh, ihn heil wiederzuhaben. „Ich weiß, der Einsatz für die Bundeswehr ist ihm wichtig. Mir ist es nicht so wichtig. Nach seiner Abwesenheit muss man sich allerdings erst einmal wieder aneinander gewöhnen“, sagt seine Frau Erika Schmidt-Boncek.
Arbeit im internationalen Team
Der Arzt kehrte von einem sechswöchigen Aufenthalt im relativ friedlichen Camp Marmal zurück zu seiner Familie. Hier in Plettenberg begleitet der niedergelassene Therapeut im Praxisalltag an der Kaiserstraße vor allem Krebs- und Schmerzpatienten im psychologischen und sozialen Bereich. Er erlebt viel Leid, aber die Arbeit bedeutet auch viel öde Bürokratie.
Im Feldhospital in Afghanistan arbeitete der Oberfeldarzt mit einem internationalen Team von zwei Psychologen, zwei Seelsorgern, einem amerikanischen Psychiater und zahlreichen anderen Fachärzten zusammen. Sie hatten mit im Einsatz verletzten und traumatisierten Soldaten, mit auf den Schotterpisten verunglückten Businsassen, aber auch mit afghanischen Epilepsie-Patienten zu tun. Einige von diesen Patienten kennt der Arzt schon von vorherigen Einsätzen, die er seit 2007 absolvierte. „Manchmal sind die Erfolge zu sehen“, berichtet Boncek. Für längere Behandlungen sei jedoch in den sechs Wochen zu wenig Zeit.
Und er sagt: „Dort geht alles ohne viel Bürokratie. Die Wege sind kurz, die meisten Medikamente gut zu erhalten und eine zweite Meinung ist schnell eingeholt.“
Das Feldhospital der ISAF-Truppe in Mazar-i Sharif entspräche in Größe, Komfort, Ausstattung und Ärztebelegung einem hiesigen Kreiskrankenhaus. Die Unterschiede sind allerdings groß: Draußen ist es im Sommer 40 bis 50 Grad heiß, im Winter minus 20 Grad kalt, in den Gebäuden ist aber alles klimatisiert. Tag und Nacht wird dort gebaut, berichtet Boncek. Dadurch und durch die Sandstürme sei viel Staub in der Luft.
Eine hohe Mauer rund um das Camp sei gegen die Sandmücken errichtet worden, erklärt der Arzt. Die Insekten können nämlich nur bis in Hüfthöhe fliegen. Sandmücken übertragen Leishmaniose, einen schweren Hautausschlag. Das ganze Gebiet des Hospitals ist aufgeschottert, es gibt ein spezielles Regenableitungssystem und Pflanzen werden dezimiert, damit die Sandmücken keine Brutstätten finden.
Eine Gefahr des Aufenthalts in der zweiten Reihe wird so gebannt. Ganz andere Schutzmaßnahmen ergreifen müssen Fallschirmspringer, Schutzsoldaten, und die Notärzte. „Mit mehr als 15 Kilogramm schwerer Schutzausrüstung und zusätzlichem Gepäck müssen sie in den Krieg und die Hitze hinaus“, berichtet Boncek.