Bochum.
Es gab einmal eine Zeit, da hat Pierre Stegemann gedacht, er werde immer Soldat sein und war damit recht zufrieden. Er war gut darin, was er getan hat, was nicht zwangsläufig Töten bedeutete. Diese Worte sind wenig verändert entnommen seiner Abiturrede, die der 33-Jährige vor wenigen Wochen vor seinen Mitschülern und Lehrern gehalten hat am Ottilie-Schönewald-Weiterbildungskolleg.
Sein Abitur krönt die Note 1,1, was es zu einem der besten Notendurchschnitte macht, die je an dieser Schule erreicht worden sind, wie Schulleiter Dr. Heinrich Brinkmöller-Becker versichert. Doch das Besondere am Leben des Bochumers Pierre Stegemann ist nicht nur dieses Super-Abi, vielmehr verlangt es sein Weg dorthin geradezu, erzählt zu werden. Ist es doch ein Weg, der den gebürtigen Magdeburger an die Grenzen dessen führte, was Menschen aushalten. Nach Afghanistan, mitten hinein in einen jahrelang nicht erklärten Krieg.
Pierre Stegemann absolvierte in Sachsen-Anhalt eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Als seine Eltern 1998 irgendwann nach Düsseldorf zogen, folgte er nach. „Meinen Wehrdienst habe ich dann beim Wachbataillon in Siegburg absolviert.“ Da hieß es Zack-Zack, die Staatsgäste auf der Haardthöhe begrüßen, Strammstehen, Gewehr präsentieren, Zapfenstreich, das ganze Tschinderassa-Bumm einer Armee in Friedenszeiten.
Auf nach Afghanistan
„Das hab ich am Anfang ganz gern gemacht“, erinnert sich der Abiturient. Irgendwann entschloss er sich, als Zeitsoldat weiter zu machen, vielleicht für immer Berufssoldat zu sein. Stegemann ging ins Münsterland; im Landstädtchen Ahlen/Westfalen lag das Panzergrenadierbataillon 192. Als die Bundeswehr ihren Standort Ahlen auflöste, zog der Stabsunteroffizier Stegemann mit und zwar ins bayerische Garnisonsstädtchen Oberviechtach.
„Irgendwann 2007 hieß es, dass wir nach Afghanistan gehen sollten“, erzählt Stegemann, dem heute kaum noch etwas „Soldatisches“ anhängt. Ohne Panzer zwar, jedoch motorisiert mit geländegängigen Fahrzeugen, bezog er mit seinen Kameraden Station in einem Feldlager der Bundeswehr in Feyzabad. Im Internet gibt es zig Fotos, die das Camp zeigen. Es erinnert ein wenig an das Karree eines römischen Kastells.
Über Umwege nach Bochum
Stegemann darf nicht alles erzählen, deutet an: „Die meiste Zeit war es dort im Norden ruhig. Wir sind Patrouille gefahren, über Wege, die nicht mal die Qualität eines deutschen Feldweges haben.“ Knapp sechs Monate, von Februar 2008 bis zum Juli dauerte der Einsatz und er tat seine Pflicht. Fotos zeigen ihn beim Essenfassen in einer Unterkunft, angelehnt in voller Marschausrüstung an der Tür des Geländewagens oder vor dem eindrucksvollen Berg-Panorama mit Feyzabad im Tal und einem alten Flugabwehrgeschütz neben sich (Foto oben).
Irgendwann, vielleicht auf dem Rückflug, der Einsatznachbereitung oder erst bei seiner Zeit im Berufsförderungsdienst der Bundeswehr drängte sich der Gedanke auf: „Ich muss noch etwas Anderes können, ich will was Neues anfangen“, erzählt Stegemann. Über ein paar Umwege kam er nach Bochum, wo er jetzt lebt.
Studium geplant
An der Universität Duisburg/Essen hat er sich um einen Studienplatz der Medizinischen Biologie beworben: Und der NC? Stegemann lächelt und schweigt. Seine Gründe, aufzuhören mit dem Soldatenberuf?
Vielleicht ist es diese wahre Szene, die ihn zum Totalschwenk getrieben hat:
Schotterpiste in Afghanistan, eine Kolonne mit deutschen Soldaten fährt in Jeeps durch die Ödnis. Ein Blitz zuckt, der Druck schüttelt die Fahrzeuge, Staub setzt sich zwischen die Zähne. Sprengfalle! Stegemann gibt aus Reflex Vollgas: Verbeultes Metall. Die Kameraden und er, der Zugführer, sind unverletzt. Gesund?