Hamburg. .

Das Verteidigungsministerium vermutet, dass die „robusteren Einsätze“ schuld sind: Die Zahl der traumatisierten Soldaten hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Und das obwohl die Bundeswehr extra ein Betreuungszentrum eingerichtet hat.

Trotz verstärkter Bemühung der Bundesregierung zur Verbesserung der psychischen Betreuung von traumatisierten Soldaten hat sich ihre Zahl im vergangenen Jahr fast verdoppelt. «Wir haben insgesamt 466 Fälle im Jahr 2009, 418 davon in Afghanistan. Im Jahr 2008 hatten wir 245 Soldaten, die wegen einer Postraumtischen Belastungsstörung in Behandlungen waren», sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur DAPD am Freitag. Als PTBS bezeichnen Fachleute eine psychische Störung, die bei Menschen nach extremen Erfahrungen auftritt.

Das Verteidigungsministerium sieht mehrere Ursachen für die gestiegenen Behandlungszahlungen. «Natürlich verlaufen die Einsätze inzwischen nicht ohne eine gewisse Robustheit», erklärte der Sprecher. Zudem gebe es aber auch eine gestiegene Bereitschaft unter den Soldaten, offen mit dem Thema umzugehen und sich in psychische Betreuung zu begeben. Eine Traumatisierung während des Einsatzes in Afghanistan etwa sei nicht mehr mit einem Stigma behaftet. Man habe viel Aufklärungsarbeit geleistet im vergangenen Jahr.

Zentrum für PTBS eingerichtet

Auf Druck aus der Truppe kündigte der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung im Februar 2009 vor dem Bundestag die Einrichtung eines Forschungs- und Kompetenzzentrums für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) an. Auch eine Telefon-Hotline soll Soldaten unter Wahrung ihrer Anonymität inzwischen Hilfe bieten. Jung sagte damals, seelische Verwundungen dürften von Soldaten und Öffentlichkeit nicht mehr als Schwäche empfunden werden.

Aus dem Verteidigungsministerium hieß es am Freitag, dass dieses Zentrum im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin «für eine anwendungsorientierte Forschung und Beratung» bereits im Mai 2009 seine Arbeit aufgenommen habe. Die Soldaten sollten aber weiterhin dezentral neben dem Bundeswehrkrankenhaus in Berlin auch in Koblenz und Hamburg therapiert werden. «Die Behandlung wollen wir in der Fläche haben», sagte der Ministeriumssprecher.

Wehrbeauftragter bemängelt Personalausstattung

Der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Reinhold Robbe (SPD), kritisierte: «Was hier in Berlin geschaffen wurde, ist eine angeflanschte Abteilung beim Arbeitsmedizinischen Institut, das jetzt schon unterbesetzt ist und Probleme hat, seine eigenen Aufgaben wahrzunehmen», sagte Robbe dem Online-Nachrichtenportal news.de. Benötigt werde vielmehr «ein selbstständiges Institut für die Prophylaxe, Behandlung und Nachsorge sowie insbesondere für die Erforschung von Posttraumatischen Belastungsstörungen und Posttraumatischen Verhaltensauffälligkeiten».

In der Pflicht sieht Robbe die Führung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Sie habe vieles schön geredet und «so getan, als wenn man mit den bestehenden Instrumenten klarkommen würde. Das ist für mich nicht akzeptabel», sagte Robbe und kündigte an: «Deswegen werde ich einen neuen Anlauf starten, auch im Verteidigungsausschuss.»

Soldaten bemerken psychische Belastung oft erst spät

Für den Bundeswehrverband stellen die neuen Zahlen keine Überraschung dar. «Es gibt nach wie vor eine weitaus höhere Dunkelziffer», sagte Verbandssprecher Wilfried Stolze der Nachrichtenagentur DAPD. Viele Soldaten würden sich weiterhin nicht trauen, mit ihrem Problem an die Öffentlichkeit zu gehen. «Außerdem gibt es die Schwierigkeit, dass die Soldaten oft erst sehr spät nach ihrer Rückkehr aus dem Auslandseinsatz merken, was mit ihnen los ist», erklärte Stolze weiter. Dennoch sei mit der Einrichtung des Kompetenzzentrums in der Bundeswehr ein neues Bewusstsein für PTBS entstanden. Erste Fortschritte seien trotz der gestiegenen Zahlen erkennbar. (apn)

http://www.ptbs-hilfe.de