Berlin. .

Viele Bundeswehrsoldaten werden in Afghanistan traumatisiert. Und müssen in der Heimat um Anerkennung der Krankheit kämpfen. Besonders schlimm sind die „Flashbacks“ - ein Blick in die Fleischtheke beim Metzger genügt.

655 vom Kriegseinsatz in Afghanistan traumatisierte Soldaten zählt der Sanitätsdienst der Bundeswehr allein in den Monaten Januar bis November 2010. Und ihre Zahl steigt. Andreas Timmermann-Levanas ist einer der Betroffenen.

Besonders schlimm sind die „Flashbacks“. Ein Blick in die Fleischtheke beim Metzger und schon sind die Bilder von verwundeten ­Menschen und abgerissenen ­Körperteilen wieder da. Ein weißer Toyota biegt zufällig um die Ecke und die Angst vor einem Selbstmordattentäter ist zurück. „Sie wissen, Sie sind in einer Sekunde tot“, sagt Andreas Timmermann-Levanas. 2006 war er für die Bundeswehr in Afghanistan. Seitdem leidet er an einer Posttraumatischen Belastungs­störung (PTBS), die ihn unfreiwillig immer wieder „zurück in den Einsatz befördert“.

655 traumatisierte Soldaten

Mit diesem Schicksal ist Timmermann-Levanas nicht allein. 655 traumatisierte Soldaten zählt der Sanitätsdienst der Bundeswehr allein in den Monaten Januar bis November 2010. Und die Zahl der traumatisierten Soldaten steigt. Waren es 2008 noch 245 Betroffene, meldete die ­Bundeswehr 2009 schon 466 PTBS-Erkrankte.

Im Krieg erleben Soldaten eine permanente Bedrohungssituation. Sie sehen, wie Kameraden schwer verletzt oder sogar getötet werden. Diese negativen Erlebnisse können ein Trauma auslösen, das die Betroffenen die nicht verarbeitete Situation immer und immer wieder erleben lässt – ohne dass sie sich dagegen wehren können.

Doch als wäre das Trauma nicht genug, kämpfen viele von ihnen seit ihrer Rückkehr an einer neuen Front. Vor Gericht streiten sie um die Anerkennung ihrer Krankheit, die Übernahme der Arztkosten und eine Ent­schädigung. Mit der Gründung der Deutschen Kriegs­opferfürsorge hat sich Timmermann-Levanas zu ihrem Anführer erklärt.

Gegengutachten der Bundeswehr

Der 45-Jährige schied 2009 nach 24 Jahren aus dem Wehrdienst aus, nachdem ein ­Bundeswehrarzt das Trauma und eine 60-prozentige Wehrdienstbeschädigung diagnostiziert hatte.

Doch damit fingen die Probleme erst an. Trotz des ärzt­lichen Gutachtens erkannte die Bundeswehr die Krankheit nicht an. Sie ließ ein Gegengutachten erstellen, das weder eine Traumatisierung noch eine Wehrdienstbeschädigung feststellte. Der ehemalige Berufssoldat klagte dagegen. Das Verfahren läuft noch immer. Inzwischen wurde ihm zwar eine 40-prozentige Beschädigung anerkannt, die Bundeswehr übernimmt aber erst ab einem Beschädigungsgrad von 50 Prozent alle Arztkosten, zahlt mehr Rente und eine Entschädigung.

Timmermann-Levanas vermutet dahinter ein System: Die Bundeswehr versuche die PTBS-Zahlen niedrig zu halten. Und wenn eine Anerkennung unausweichlich sei, eine Wehrdienstbeschädigung von unter 50 Prozent festzustellen.

Hierzu bezahle sie externe Gutachter, die im Gegensatz zu den Bundeswehrärzten die Fälle nach Aktenlage beurteilten, ohne die Erkrankten jemals gesehen zu haben. Wer dagegen klage, lande vor einem Sozialgericht, wo sich die Verfahren häufig über Jahre hinziehen. „Die kennen sich dort mit dem nicht aus, was wir im Krieg erlebt haben“, sagt Timmermann-Levanas.“

Lange Verfahrensdauer

Das trifft jedoch nicht nur auf die Sozialgerichte zu. Auch die Verwaltungsämter der Bundeswehr sind offenbar noch nicht in der Realität angelangt. „Die glauben, dass wir auf dem Truppenübungsplatz vom Panzer gesprungen sind“, sagt der Kriegsveteran. In seinem Antrag auf Wehrdienstbeschädigung schrieb er, dass er fünf Stunden lang im Gefecht mit Taliban gewesen sei. Die Antwort der Wehrverwaltung: „Das kann gar nicht sein. Sie sind ja nur als Presseoffizier dort gewesen.“