Dortmund. . Viele arme Senioren verzichten auf die Grundsicherung. Entweder meiden sie aus Scham oder Angst den Gang zum Amt oder sie sind über ihre Ansprüche auf Grundsicherung nicht informiert. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Manche Senioren fürchten aber offenbar auch, dass ihre Kinder Unterhalt bezahlen müssen.

Viele arme Senioren nehmen die staatliche Grundsicherung im Alter aus Scham oder Unwissenheit nicht in Anspruch. „Verdeckte Armut ist unter Menschen mit geringer Rente erschreckend weit verbreitet“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Irene Becker, die für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zur Grundsicherung erstellt hat, zur WR.

Demnach beziehen deutlich weniger als die Hälfte der Anspruchsberechtigten über 65 Jahre auch tatsächlich Leistungen der Grundsicherung. Viele Senioren leben laut Becker nach dem Motto: „Lieber eisern sparen als zum Sozialamt gehen.“

Ende 2011 erhielten in Nordrhein-Westfalen von gut 1,06 Million Menschen über 65 Jahre immerhin 117.502 Leistungen der Grundsicherung im Alter. Frauen sind mit 77.636 überproportional vertreten, errechnete das Statistische Landesamt. Der durchschnittliche Nettobedarf pro Person lag bei 447 Euro pro Monat.

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Bereits seit den 1990er Jahren sei aufgrund verschiedener Erhebungen klar, dass auf jeden Sozialhilfeempfänger ein Sozialhilfeberechtigter kommt, der seine Ansprüche auf staatliche Unterstützung nicht einlöst, sagt Becker. Unter Älteren sei die verdeckte Armut besonders verbreitet. Entweder mieden sie aus Scham oder Angst den Gang zum Amt oder sie seien über ihre Ansprüche auf Grundsicherung nicht informiert.

Die Rente reicht oft nicht aus

Bedürftigkeit im Alter sei meist keine Folge gänzlich fehlender Rentenansprüche, sagt Irene Becker. Die Rente reiche aber oft nicht aus. Sie appelliert an die Gesetzgeber, das 2003 in Kraft getretene Gesetz zur Grundsicherung im Alter zu überarbeiten. Zudem regt sie eine bessere Betreuung durch die Rentenversicherung an.

Die winkt ab: „Die Deutsche Rentenversicherung erfüllt ihre Pflicht“, sagt Sprecher Dirk von der Heide. „Jeder, dem Grundsicherungsleistungen zustehen, wird von uns schriftlich darauf hingewiesen.“

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Von Marc-André Podgornik

Doch auch die Diakonie fordert eine bessere Informationspolitik: „Viele Senioren sind über ihr Recht auf Grundsicherung nur schlecht informiert. Aus Scham wagen viele nicht, zum Amt zu gehen. Auch treibt viele aufgrund falscher Informationen die Sorge um, dann könnten ihre Kinder für sie unterhaltspflichtig werden und müssten die Grundsicherung zurück erstatten“, so Sprecherin Ute Burbach-Tasso zur WR.