Düsseldorf. Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte in NRW arbeitet im Niedriglohnsektor. Die Zahl der Menschen, die im Monat weniger als 833 Euro zur Verfügung haben, schnellt in die Höhe. Die Ergebnisse des neuen Sozialberichts alarmieren Arbeitsminister Guntram Schneider: “Die soziale Schere geht immer weiter auseinander“.

Immer mehr Menschen in Nordrhein-Westfalen droht Armut. Im Vorjahr stieg die Zahl der einkommensarmen Personen gegenüber 2010 um 200.000 oder 7,6 Prozent auf rund 2,8 Millionen Menschen. Das sind 15,8 Prozent der Bevölkerung des Landes, wie aus dem Sozialbericht NRW 2012 hervorgeht, den Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) am Mittwoch in Düsseldorf vorstellte.

Als einkommensarm gilt, wer monatlich weniger als 833 Euro zur Verfügung hat. "Die soziale Schere in unserem Land geht immer weiter auseinander, obwohl wir ein positives Wirtschaftswachstum haben", warnte Schneider. Ein weiteres Alarmzeichen sei die wachsende Zahl der Geringverdiener, zu denen laut Sozialbericht 2010 mehr als die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten unter 25 Jahre zählte. Inzwischen sei jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte in NRW im Niedriglohnsektor tätig. Als Niedriglohn gilt ein monatliches Bruttoarbeitseinkommen von unter 1.890 Euro.

Vor diesem Hintergrund forderte Schneider einen "Umverteilungsprozess", der die "unverhältnismäßige Belastung" kleinerer Einkommen zurücknehme. Gefordert seien ein gesetzlicher Mindestlohn sowie die "adäquate" Besteuerung von Vermögen. Auch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes gehöre dazu. "Starke Schultern können und müssen mehr tragen als schwache", sagte der Minister.

Wohlfahrtsverbände warnen vor Kürzungen

Die Wohlfahrtsverbände in Nordrhein-Westfalen sehen angesichts der Ergebnisse des Sozialberichts dringenden Handlungsbedarf und fordern weitere Initiativen auf Landes- und Bundesebene. Gleichzeitig warnen die Verbände die Landesregierung vor Kürzungen im Sozial- und Bildungshaushalt. „Wir können uns Armut nicht leisten“, sagt Hermann Zaum, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Wenn ganze Stadtteile abgehängt werden, gefährdet das unsere Demokratie. Und wenn wir zulassen, dass junge Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss bleiben, dann setzen wir die Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft aufs Spiel.“

Im vorliegenden Sozialbericht sehen die Wohlfahrtsverbände eine gute Grundlage für eine vorausschauende Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Hermann Zaum: „Wenn es die Landesregierung ernst meint mit der Armutsbekämpfung, dann ist im Sozial- und Bildungshaushalt und vor allem bei den Kindern und Jugendlichen nicht zu sparen.“ (mit dapd)