Berlin. .
Am Wochenende hatte von der Leyen noch einmal alles versucht, um für ihr Großprojekt einer Zuschussrente zu werben. Mit einem medialen Donnerschlag warnte sie vor drohender Altersarmut und legte Zahlen vor, die schockieren sollten: Selbst mit einem Monatsbrutto von 2500 Euro werde, wer 35 Jahre lang arbeite, beim Rentenbeginn ab 2030 nur eine Rente in Sozialhilfehöhe erhalten.
Keine neuen Zahlen
Solche Berechnungen sind nicht neu, auf das Problem weisen Sozialverbände seit langem hin. Dass das gesetzliche Rentenniveau absinkt, ist Konsequenz früherer Reformen; die Lebensarbeitszeit wird allerdings meist viel länger sein als 35 Jahre, private Vorsorge soll die Lücken schließen.
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Aber wieder einmal hatte von der Leyen ein Thema geschickt schlagzeilengerecht aufgeladen. Es soll die Kulisse sein, vor der sie am Mittwoch mit Kritikern unter den jungen CDU-Abgeordneten diskutiert – die drohen damit, die Reform abzulehnen, weil sie die Beitragszahler (und nicht die Steuerzahler) zusätzlich belastet.
Starker Gegenwind
Doch die Dramatisierung ließ die Kritiker gestern unbeeindruckt: Erst bekräftigten die jungen CDU-Abgeordneten, die sich von der Ministerin getäuscht fühlen, ihre Bedenken. Dann höhnte FDP-General Patrick Döring über die „mediale Inszenierung“ und bescheinigte von der Leyen, sie sei „auf dem Holzweg“ – die FDP werde diese teure Reform nicht mittragen. Später feuerte die Deutsche Rentenversicherung eine Breitseite ab und bezweifelte die Aussagekraft der vorgelegten Zahlen.
Schließlich, am beunruhigendsten, ließ auch die Kanzlerin ihre Ministerin im Regen stehen: „Man muss überlegen, ob die Zuschussrente die richtige Antwort sein kann“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Der Rückhalt schwindet
Von der Leyen auf verlorenem Posten, Rückhalt und Respekt in der Koalition schwinden. Nach den Plänen der Ministerin sollen die Niedrigstrenten von langjährigen Beitragszahlern unter strengen Vorgaben auf 850 Euro angehoben werden. Aber von der Leyen, einst für Mut, Geschick und Hartnäckigkeit bewundert, will bei der Umsetzung nichts gelingen: Ein mit viel Tamtam gestarteter Rentendialog mit Verbänden und Wissenschaftlern brachte 2011 nicht die erhoffte Unterstützung. Dann ließ Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Kollegin im Stich, frisches Geld aus dem Haushalt kriegt sie für ihr Projekt nicht. Erst mit großer Verzögerung legte von der Leyen im Frühjahr konkrete Entwürfe vor, vor allem aus der FDP gab es gleich Widerspruch. Die findet den ganzen Ansatz verkehrt.
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Auch die Opposition hält die Reform, mit anderer Begründung, für den „falschen Weg“, wie SPD-Vize Hannelore Kraft gestern klagte. Den meisten von Altersarmut Betroffenen werde die Zuschussrente nicht helfen – weil die Bedingungen viel zu streng sind.
Von der Leyen wusste freilich seit Monaten, dass die Mehrheit in der Koalition nicht steht. Im Kanzleramt wurde sie gewarnt, ohne interne Verständigung mit dem Entwurf vorzupreschen; die Kabinettsentscheidung wurde bereits verschoben. Doch von der Leyen macht, was sie einst als Familienministerin erfolgreich erprobte: Sie sucht in offener Schlacht die Entscheidung – und setzt offenbar auf ein Machtwort der Kanzlerin. Das ist diesmal eine riskante Strategie.
Sie hat nur noch wenig Rückhalt
Denn von der Leyens Bilanz im Arbeitsministerium ist so durchwachsen, dass sie eine Niederlage nur schwer verkraften kann; längst lästert die Opposition über die „Ankündigungsministerin“, die sich Beifall bevorzugt durch Ausflüge in andere Themenfelder – Europa, Frauenquote – organisiert. Jetzt zeigt sich, wie wenig Rückhalt die CDU-Politikerin in der Koalition besitzt und wie viele Feinde sie hat. Selbst in der CDU-Spitze schütteln sie den Kopf über das Krisenmanagement.
Bis Ende Oktober müssten positive Entscheidungen zur Zuschussrente getroffen sein, hat von der Leyen gefordert. „Dafür stehe ich gerade. Das ist auch mein Ehrgeiz als Ministerin.“ Und: „Daran kann man mich dann auch messen.“ Dass dies als Rücktrittsdrohung verstanden wurde, nahm sie in Kauf. Dass sich die Kritiker davon nicht beeindrucken ließen, hat sie wohl nicht erwartet.