Berlin. . Zehn Jahre nach Vorstellung des Berichts der Hartz-Kommission am 16. August 2002 lobt Altkanzler Gerhard Schröder die von ihm initiierte Sozialreform. Die Linke bekräftigt am Donnerstag ihre Kritik dagegen und forderte eine “Generalrevision“ von Hartz IV.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die vor zehn Jahren aus der Taufe gehobenen Hartz-Arbeitsmarktreformen als "Gewinn für die Gesellschaft" bezeichnet. Die Reform der Sozial- und Arbeitslosenhilfe habe sich "für unser Land gelohnt", sagte Schröder der "Bild"-Zeitung vom Donnerstag. Im Vergleich zu 2005, als die Reformen umgesetzt wurden, gebe es nun zwei Millionen Arbeitslose weniger. Die Hartz-Reformen seien zwar "zu Beginn schmerzhaft" gewesen, sagte Schröder. Dies sei aber ein "Grundproblem" bei Reformen. Bis sie wirkten, dauere es Jahre.
Schröder wies Vorwürfe zurück, die Gesellschaft sei durch die Einführung von Hartz IV unsozialer geworden. Es sei "nicht unsozial, wenn der Staat einfordert, dass jemand, der arbeiten kann und dem Arbeit angeboten wird, diese auch annimmt". Den "Erfinder" der Arbeitsmarktreform, den früheren VW-Personalvorstand Peter Hartz, lobte Schröder ausdrücklich. "Er hat mit seinen Reformvorschlägen einen großen Anteil daran, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland gesunken ist." Zu Forderungen, Hartz IV umzubenennen, sagte er: "Ich fürchte, dafür ist es zu spät."
Linkspartei fordert "Generalrevision" von Hartz IV
Am 16. August 2002 hatte Peter Hartz in Berlin den Bericht seiner Kommission zur Reform des Arbeitsmarkts vorgestellt. Im Zuge der von der damaligen rot-grünen Regierung umgesetzten Hartz-Reformen wurden unter anderem Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt, die Zumutbarkeitsregeln für die Aufnahme von Arbeit verschärft und die Bundesagentur für Arbeit aufgebaut.
Linke und Wirtschaft liegen bei der Bewertung der Hartz-Reformen über Kreuz. Während die Linksparteivorsitzende Katja Kipping am Donnerstag eine Generalrevision forderte, warnten Wirtschaftsvertreter davor, die Arbeitsmarktreform aufzuweichen. Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) verteidigte das Konzept, das auf seine Initiative zurückgeht und vor zehn Jahren vorgestellt wurde.
Kipping forderte einen Masterplan für einen Politikwechsel. "Wir wollen nach der Wahl eine Generalrevision von Hartz IV durchsetzen", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Ohne Mindestlohn und sanktionsfreie Mindestsicherung läuft mit uns nichts." Kipping forderte eine neue unabhängige Expertenkommission, in der außer den Gewerkschaften auch Sozialverbände und Erwerbsloseninitiativen eine Stimme haben sollten. "Diesmal sollte nicht ein Wirtschaftsboss die Leitung bekommen, sondern eine Person, die moralische Integrität und soziales Gewissen vereint, zum Beispiel aus der Kirche", sagte sie.
Wirtschaft verweist auf Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit
Handwerkspräsident Otto Kentzler sagte dem Blatt, im Zuge der Hartz-Reform sinke die Langzeitarbeitslosigkeit deutlich, zugleich steige die Zahl von regulären Jobs und immer mehr Mini-Jobs würden in Vollzeitstellen umgewandelt. Er könne nicht verstehen, dass SPD und Grünen, die diese Reformen mutig durchgeführt hätten, heute häufig auf Distanz dazu gingen.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lobte das Prinzip des Förderns und Forderns als Meilenstein auf dem Weg zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit. DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann sagte der Zeitung, durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie den Umbau der Bundesagentur für Arbeit sei es gelungen, die vor den Hartz-Reformen stetig steigende Sockelarbeitslosigkeit in Deutschland abzubauen. Künftig müsse es noch besser gelingen, auch wenig Qualifizierte aller Altersgruppen in die Betriebe zu bringen. Driftmann warnte vor Mindestlöhnen. (afp/dapd)