Washington. Im republikanischen Lager wächst die Ungeduld über den US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, der geheimniskrämerisch über seine Steuer-Biographie wacht und damit latent die Wahl im November riskiert.
Lernkurve ist ein oft benutzes Wort, wenn im schwül-heißen Washington dieser Tage die Sprache auf Mitt Romney kommt. Während wohlwollende Zeitgenossen in Politik und Medien die Meinung vertreten, der republikanische Herausforderer von Barack Obama bei der Präsidentschaftwahl am 6. November stagniere hier zuweilen, sehen andere bereits eine „gefährliche Abwärtsbewegung“. Das gilt vor allem für die neu entbrannte Debatte um Romneys frühere Tätigkeit als Chef von Bain Capital; einer Firma, die Unternehmen aufkauft, zerlegt und wieder verkauft.
Auf die Zeit bei Bain gründet Romney nicht nur seinen auf rund 250 Millionen Dollar taxierten privaten Reichtum. Sondern auch seine mantrahaft vorgetragene Botschaft an die verunsicherte Wählerschaft: Obama versteht nichts von Wirtschaft. Ich kann es. Ich weiß, wie man Arbeitsplätze schafft. Nur wo? – hält das Obama-Lager dagegen und verweist penetrant drauf, dass etliche Firmen, die Bain in den Fingern hatte, ihre Arbeitsplätze nach Übersee verlagert haben.
Romney hatte bisher stets behauptet, dies sei, wenn überhaupt, nach seinem Ausscheiden 1999 geschehen. Seit der „Boston Globe“ Dokumente der US-Börsenaufsicht SEC aufgetan hat, die belegen, dass Romney tatsächlich bis 2002 zu 100 Prozent Eigentümer und Chef-Manager bei Bain war und jährlich mindestens 100 000 Dollar Gehalt eingestrichen hat, sehen sich jene bestätigt, die Romney schon immer einen laxen Umgang mit der vollständigen Wahrheit vorgeworfen haben.
Massiver parteiinterner Druck auf Romney
Als bestes Beispiel gilt die Tatsache, dass der Ex-Gouverneur von Massachusetts Anfang des Jahres erst auf massiven parteiinternen Druck seine Steuererklärung für 2010 offenlegte. Ergebnis: 20 Millionen Dollar Einnahmen aus Kapitalerträgen bei einem extrem niedrigen Steuersatz von 14 Prozent. Alles legal, aber in Zeiten der Wirtschafts- und Bankenkrise gewiss kein Sympathiebringer in der Mittelschicht, die mit stillem Zorn auf die Clique der Superreichen schaut.
Seit Ende vergangener Woche versucht Romney mit einer Flut von Selbstverteidigungsreden in Fernseh-Interviews die Scherben rund um seine Zeit bei Bain zu beseitigen. Mit sehr überschaubarem Erfolg. Denn die Gegenseite, das Obama-Lager, bedient sich schonungslos des in US-Wahlkämpfen oft benutzten Mittels der „character assassination“: der öffentlichen Hinrichtung der persönlichen Integrität eines Widersachers; vorzugsweise mit gezielten TV-Werbespots.
Romney soll Rätsel um Steuererklärungen lüften
Obama stellte sich an die Spitze der Bewegung, die Romney zu mehr Transparenz in Sachen Steuererklärungen anhält. „Das amerikanische Volk hat ein Recht darauf.“ Der Präsident nimmt damit einen Ball auf, den Newt Gingrich, inzwischen ausgemusterter Kontrahent Romneys bei den internen Vorwahlen der Republikaner, bereits im Januar vor einem Millionen-Publikum im Fernsehen maliziös auf das politische Spielfeld getreten hatte. “Wenn irgendetwas in der Steuererklärung drinsteckt, das dazu beitragen könnte, dass wir die Wahl im Herbst verlieren, dann sollten wir es vor der Nominierung wissen”, appellierte Gingrich damals an den vor laufender Kamera immer blasser werdenden Romney. “Und wenn nichts drinsteckt, warum sollte man sie nicht jetzt freigeben?"
Dieser Schluss ist, glaubt man Bill Kristol, heute immer noch gültig. Der einflussreiche Vordenker des konservativen Lagers rief Romney jetzt unmissverständlich dazu auf, umgehend das Rätsel um die Steuererklärungen zu lüften. Anders könnten die Republikaner sich nicht darauf konzentrieren, die “verfehlte Politik” Obamas zu sezieren und sich den vielen unentschlossenen und unabhängigen Wählern als Alternative zu empfehlen.
Zweifel an der Aufrichtigkeit Romneys
Eine Forderung, hinter die sich mit Scott Walker (Wisconsin) und Robert Bentley (Alabama) auch erstmals zwei republikanische Gouverneure stellten. Romney macht allerdings keine Anstalten, dem Vorbild seines Vaters George zu folgen. Der frühere Auto-Industrie-Manager und Gouverneur von Michigan hatte vor seiner Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur in den 60er Jahren (er unterlag am Ende Richard Nixon) unaufgefordert seine Steuerunterlagen für zwölf Jahre veröffentlicht. Dass sein Sohn heimlich tut und sich trotz wachsenden Unbehagens in der republikanischen Partei taub stellt, nährt Zweifel an der Aufrichtigkeit Romneys und wird nach Ansicht des konservativen Publizisten George Will zur “echten Belastung” für die Wahl im November.
Amerikaner hätten nichts gegen Reichtum, sagt er, “aber sie wollen auch nicht für dumm verkauft werden”. Was damit gemeint sein könnte, hat ein Autor des Magazins “Vanity Fair” mühsam über das bereits Bekannte hinaus recherchiert. Danach hat Romney allein in dubiosen Steuerparadiesen in der Karibik über 30 Millionen Dollar geparkt. Um Steuern zu sparen. Newt Gingrichs Frage vom Januar, sagte gestern ein republikanischer Lobbyist im Fernsehen, “ist aktueller denn je - was hat Mitt Romney zu verbergen”.