Washington. Wichtiger Meilenstein für Obamas Gesundheitsreform: Das amerikanische Verfassungsgericht hat die umstrittene Vorschrift, nach der die meisten Amerikaner eine Krankenversicherung haben müssen, bestätigt. Damit erringt der Präsident wenige Monate vor der Wahl einen entscheidenden Sieg.

US-Präsident Barack Obama hat die Bestätigung der Gesundheitsreform durch den Obersten Gerichtshof als Sieg für die Bürger in Amerika begrüßt. Dank der Entscheidung des Supreme Court könnten Millionen Menschen weiterhin von den Vorteilen des neuen Gesetzes profitieren, erklärte Obama am Donnerstag. Mit dem Urteil sei der Kern der Reform bestätigt worden, wonach jeder Bürger, der sich eine Krankenversicherung leisten könne, diese auch abschließen müsse.

Zugleich rief Obama die Kritiker der Gesundheitsreform auf, die Entscheidung des höchsten US-Gerichts zu respektieren. "Was wir nicht tun werden und was sich auch das Land nicht leisten kann ist, die Kämpfe von vor zwei Jahren erneut auszutragen oder alles auf Anfang zu setzen", erklärte er. "Mit der heutigen Entscheidung ist es Zeit für uns, weiterzugehen."

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney erklärte dagegen die Wahl im November zu einer Abstimmung nicht nur über Obama, sondern auch über die Gesundheitsreform. "Wenn wir Obamacare loswerden wollen, dann müssen wir Präsident Obama austauschen", sagte Romney. "Meine Mission wird es sein sicherzustellen, dass genau dies passiert." Sollten die Bürger ihn zum Präsidenten wählen, werde er die Gesundheitsreform rückgängig machen.

Krankenversicherung kommt für 32 Millionen Amerikaner

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Der Oberste Gerichtshof hatte zuvor mit der Gesundheitsreform das wichtigste innenpolitische Projekt von Präsident Obama im Kern bestätigt. Mit nur einer Stimme Mehrheit erklärten die neun Richter am Donnerstag die allgemeine Versicherungspflicht, das Herzstück der Reform, für verfassungsgemäß. Damit müssen etwa 32 Millionen Amerikaner ohne Schutz eine Krankenversicherung abschließen. Wer sich weigert, muss ab 2014 einen Ausgleichsbetrag an den Staat entrichten. Fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl erhält Obama damit erheblichen Rückwind im Kampf gegen seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney, der das Gesetz ablehnt.

Die Richter werteten die Strafzahlung als einer Art Steuer. Eine solche sei durch die Verfassung gedeckt, begründete der Vorsitzende Richter John Roberts die Entscheidung. Allerdings folgten die Richter nicht in allen Punkten der Argumentation des Präsidenten und erklärten einen Teil des Gesetzes für verfassungswidrig, der die Bundesstaaten verpflichtet hätte, das staatliche Gesundheitsprogramm für Arme drastisch auszubauen.

Mehrheit gegen Versicherungspflicht

Das Mammutprojekt zum Umbau des 2,6 Billionen Dollar schweren US-Gesundheitswesens gilt als politisch hochbrisant. Obama hatte die Reform 2010 erst nach monatelangem Ringen gegen heftigen Widerstand in der Bevölkerung und auch in den eigenen Reihen im Kongress durchgesetzt. Obamas Gegner argumentieren, der Kongress habe kein Recht, die Amerikaner zum Abschluss einer Krankenversicherung zu verpflichten. Die Befürworter halten dagegen, nur so ließen sich die Kosten langfristig in den Griff bekommen und gerecht verteilen.

An der Wall Street fanden Gesundheitswerte nach der Entscheidung keine klare Richtung. Der entsprechende S&P-Index verlor 0,5 Prozent. Mehrere Einzeltitel sprangen jedoch deutlich in die Höhe: Tenet Healthcare um sechs Prozent, Centene um mehr als sieben Prozent, Molina Healthcare sogar um mehr als acht Prozent.

Die Meinung der Öffentlichkeit war laut Umfragen gespalten. In einer jüngst veröffentlichten Reuters/Ipsos-Umfrage lehnten zwar 56 Prozent der US-Bürger die Reform ab, darunter sind jedoch auch viele, denen das Vorhaben nicht weit genug geht. Positiv äußerte sich eine Mehrheit über die konkret vorgesehenen Maßnahmen. So sollen etwa Kinder bis zu ihrem 26. Lebensjahr bei den Eltern versichert bleiben können. Eindeutig auf Ablehnung stieß bei 61 Prozent jedoch die Versicherungspflicht. (rtr)