Washington. Der Republikaner Mitt Romney hat nun genügend Delegiertenstimmen beisammen, um im November gegen Präsident Obama antreten zu dürfen. Mit welchem Konzept, das fragen sich allerdings selbst sein Parteifreunde.
Zwei Monate ist es her, da machte Mitt Romneys Top-Wahlkampfberater Eric Fehrnstrom eine Bemerkung, die ihn kurz darauf den Kopf kosten sollte. Danach werde sich der 65-jährige Multi-Millionär, wenn er erst einmal die republikanische Ochsentour zum Präsidentschaftsticket überstanden hat, komplett neu erfinden, um bei den Wahlen im November gegen Barack Obama siegen zu können. Kam nicht gut an bei jenen konservativ-religiösen Wählergruppen, bei den sich Romney so sehr angedient hatte.
Nach der Vorwahl in Texas hat Mitt Romney die nötigen 1144 Delegiertenstimmen sicher, die es braucht, um auf dem Parteitag im Spätsommer offiziell auf den Schild gehoben zu werden. Und etliche Parteifreunde, die über Monate an dem Mormonen zweifelten, können das mit dem Neuerfinden kaum erwarten. Denn der Romney von heute ist selbst leidenschaftlichen Republikanern, wie die Bloomberg-Kolumnistin Margaret Carlson schreibt, noch immer „eine unbekannte Größe“. Seit Beginn des Vorwahl-Marathons am 3. Januar in Iowa hat der frühere Risiko-Kapital-Investor in allen relevanten Fragen jedwede Festlegung vermieden und lediglich pathetisch aufgeladene, pauschale Andeutungen darüber gemacht, was er als Chef im Weißen Haus anders machen würde.
Tenor: Amerika muss wieder großartig werden. Resultat: „Ich habe bis heute keine Ahnung, was Romney eigentlich genau will“, sagt Chris Chocola, Präsident des „Klubs für Wachstum“ und ein erbitterter Gegner des amtierenden Präsidenten. Das Insider-Magazin „Politico“ stellt fest, dass Romneys einzige Botschaft bisher die war: „Folgt mir, ich mach’s besser als mein Vorgänger.“
Steuerreduzierungen durch die Bank von 20 % zu versprechen, den Abbau der Arbeitslosigkeit auf 6 % in Aussicht zu stellen, die Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform und anderen staatlichen Regelwerken anzukündigen, sagt der frühere Präsidenten-Berater Mark McKinnon, reiche aber nicht aus. „Irgendwann muss man dem Wähler zeigen, dass man eine konkrete Vision von einem besseren Weg hat.“ Romney tue das Gegenteil. In seinem ersten großen Interview seit Monaten mit dem „Time“-Magazin blockte der fünffache Familienvater in dieser Woche jede Nachfrage nach Details zu seinem Leib-und-Magen-Thema Wirtschaft und Arbeitsplätze beinahe beleidigt ab.
Es müsse doch wohl reichen, wenn er Amerika Wohlstand und Vollbeschäftigung verspreche. Romney misst sich gerade hier besondere Kompetenz zu, seit er für die Investmentfirma Bain Capital zahlreiche Firmen gekauft, teilweise zerschlagen und wieder verkauft hat. Dass dabei auch Tausende Menschen ihren Job verloren haben, lässt Romney häufig unerwähnt.
Eine Schwachstelle, die das Obama-Lager „gnadenlos ausnutzen wird“, prophezeit der republikanische Kolumnist Ed Rollins. Als Hypothek bewerten an sich Romney-freundliche Medien zudem, dass der Kandidat, der bereits 2008 Präsident werden wollte, seine politische Vergangenheit nach Kräften ausblendet. Als Gouverneur des liberalen Ostküstenbundesstaates Massachusetts hat Romney eine gemischte Bilanz vorzuweisen.
Er hat die Staatsschulden um 16 % erhöht, weniger Jobs geschaffen als 44 andere Bundesstaaten und stark bei den Bildungsausgaben gekürzt; alles Themenfelder, auf denen Romney heute mehr Können für sich beansprucht als er Obama attestiert. Am weitesten, so Bloomberg-Autorin Carlson, geht Romneys Selbstverleugnung beim Thema Gesundheit.
Die Reform des Gesundheitswesens in Massachusetts ist die Blaupause für das, was Obama im ganzen Land will: Jeder Amerikaner soll eine bezahlbare Krankenversicherung bekommen, derzeit stehen 30 Millionen Menschen außen vor. In Massachusetts hat das neue Gesetz zu Entwicklungen geführt, derer sich andere Gouverneure rühmen würden: geringste Kinder-Sterblichkeit, zweitniedrigste Rate von Teenager-Geburten, zweitbester Zugang für Kinder zu guter medizinischer Versorgung, um nur einige Beispiel zu nennen.
Mitt Romney will davon im Wahlkampf nichts wissen. „Seine Fundamental-Opposition gegen Obama würde sonst unglaubwürdig“, heißt es bei der republikanischen Partei in Ohio; einem der Bundesstaaten, auf die es bei der Wahl am 6. November zentral ankommt. Offiziell steht die „Grand Old Party“ jetzt fest hinter ihrem Kandidaten. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch bereits der Start, das Durchbrechen der Schallmauer von 1144 Delegiertenstimmen, mit Unwohlsein registriert.
Anstatt im Vorwahl-Staat Texas auf einem Podium zu stehen, dinnierte Rommey am Dienstagabend in einem Nobel-Hotel in Las Vegas mit Donald Trump. Der New Yorker Baulöwe, gegen den Thilo Sarrazin geradezu bescheiden und uneitel wirkt, bringt Romney aktuell wieder in große Argumentationsnöte. Trump glaubt felsenfest, dass Obamas Geburtsurkunde gefälscht ist und somit im Weißen Haus ein Ausländer sitzt.
Eine Verschwörungstheorie, die – weil zigfach widerlegt – selbst in
Republikaner-Kreisen inzwischen als schädlich und ehrabschneidend gilt. Mitt
Romney kann sich zu einer kraftvollen Distanzierung aber nicht durchringen. Er
braucht Trumps Geldbeschaffer-Qualitäten für den Wahlkampf. Am 3. Oktober, bei
der ersten Fernsehdebatte in Denver, wird Amtsinhaber Obama ihn daran vor einem
Millionen-Publikum erinnern.