Athen. Die Parlamentswahlen in Griechenland gelten als Schicksalswahl für die gesamte EU: Gewinnt die linksradikale Syriza-Partei, will deren Vorsitzender Tsirpas den Sparkurs beenden - das könnte heißen, das Land müsste aus der Euro-Zone. Derzeit liegen die Lager Kopf an Kopf.
Bei der Parlamentswahl in Griechenland liegt die konservative Nea Dimokratia (ND) laut neuesten Prognosen 1,6 Prozentpunkte vor dem Linksbündnis Syriza. Der TV-Prognose vom Sonntagabend zufolge kommt die ND auf 28,6 bis 30 Prozent der Stimmen vor Syriza, das 27 bis 28,4 Prozent erhielt. Die ND will die Sparauflagen der internationalen Geldgeber nachverhandeln, Syriza ist ein Gegner der Auflagen und hat mit der Aufkündigung des Sparkurses gedroht.
Der erste Platz ist ein wesentlicher Vorteil bei der Regierungsbildung, da dieser 50 Bonusmandate im 300-köpfigen Parlament in Athen bringt. Der Nachwahlbefragung zufolge kann die ND auf 127 der 300 Sitze im Parlament in Athen hoffen. Sie wäre damit auf einen Koalitionspartner angewiesen. Dies könnte die sozialdemokratische PASOK sein, die laut Prognosen auf zehn bis zwölf Prozent der Stimmen kam.
Die erste Parlamentswahl am 6. Mai hatte ebenfalls keinen klaren Sieger gebracht. Eine Koalitionsbildung scheiterte am Streit über die Fortsetzung des Sparkurses, weshalb jetzt erneut gewählt werden musste. Die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte zieht laut Nachwahlbefragungen mit 6,0 bis 7,5 Prozent der Stimmen erneut ins Parlament ein.
Damit ist der Verbleib der Griechen in der Eurozone weiterhin unklar. Das radikale Linksbündnis Syriza lehnt die die Bedingungen für internationale Hilfen strikt ab. Würde sie die Wahl gewinnen, hatte ihr Vorsitzender Alexis Tsirpas gedroht, die Auflagen für das Rettungsprogramm aufzukündigen. Dann wäre Athen möglicherweise zu einem Verlassen der Währungsunion gezwungen sein.
Tsirpas mach den Griechen Hoffnung
Dutzende Journalisten begleiteten deshalb auch den Chef der Syriza, den 37-jährigen Alexis Tsipras, bei der Stimmabgabe in einem Wahllokal in Athen. "Wir haben die Angst besiegt. Heute öffnen wir einen Weg zur Hoffnung, einen Weg zu einem besseren Morgen. Unser Volk ist einig, würdevoll und stolz", sagte Tsipras und fügte hinzu, dass er sich des Sieges sicher sei.
Auch der Parteichef der konservativen Neuen Demokratie gab sich zuversichtlich. "Heute sprechen die Griechen. Morgen beginnt eine neue Ära für Griechenland", sagte Antonis Samaras, als er im Süden Griechenlands am Morgen als erster Spitzenpolitiker des Landes seine Stimme abgab.
Bei einer ersten Abstimmung vor sechs Wochen hatte keine Partei genügend Stimmen für eine Regierungsbildung erhalten, die anschließenden Koalitionsverhandlungen scheiterten. Knapp zehn Millionen Griechen sind wahlberechtigt.
Ende des Sparkurses angekündigt
Tsipras hatte mit seinem Plan, die Sparmaßnahmen aufzuheben in ganz Europa für Panik gesorgt. Er erklärte jedoch, er wolle den Euro behalten.
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Samaras hatte betont, es sei seine Priorität, Griechenland in der Eurozone zu halten. "Das Wichtigste, über das wir entscheiden, ist die Frage: Euro oder Drachme", sagte der Vorsitzende der Neuen Demokratie auf der Abschlusskundgebung des Wahlkampfs in Athen. In jüngsten Umfragen erklärten rund 80 Prozent der Bürger, sie wollten den Euro behalten.
Kritik am strengen Auflagen wächst
Seit Mai 2010 ist Griechenland auf internationale Hilfszahlungen angewiesen. Für ihre Hilfe hatte die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) harte Sparmaßnahmen zur Bedingung gemacht.
Kritiker bemängeln allerdings, dass strenge Austeritätsprogramm würge die ohnehin schwächelnde Wirtschaft weiter ab. Griechenland befindet sich mittlerweile das fünfte Jahr in Folge in einer Rezession, die Arbeitslosenquote liegt bei über 22 Prozent und Zehntausende Unternehmen gingen in den vergangenen Jahren pleite.
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, sie hoffe auf einen Sieg derjenigen Kräfte in Griechenland, die sich an die getroffenen Vereinbarungen hielten. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die keine Abmachungen einhielten, "jeden anderen am Nasenring durch die Manege führen".
Eurogruppen-Chef Juncker warnte vor der "verheerenden Signalwirkung" eines möglichen Austritts Griechenlands aus der Eurozone. Sollte die Wahl wirklich dazu führen, wäre die Gefahr groß, dass die gesamte Währungsunion in Turbulenzen gerate, sagte er dem österreichischen "Kurier".
Befürchtungen vor einer finanziellen Kernschmelze der EU
Einem Bericht des "Focus" zufolge fürchtet die Bundesregierung, dass die Krise unbeherrschbar wird, sollten Athen eine Sonderbehandlung erfahren. "Dann würden auch Spanien und Italien auf bevorzugte Behandlung pochen", hieß es demnach im Kanzleramt.
Griechische Zeitungen schrieben von der wichtigsten Wahl seit dem Ende der Militärdiktatur 1974. ND-Chef Antonis Samaras erklärte bei der Stimmabgabe, für das Land beginne am Montag "eine neue Ära".
Der Start in diese neue Ära dürfte jedoch absehbar holprig ausfallen. Möglicherweise endet diese Wahl wie die letzte: in einem Patt der Kräfte. (dapd)