Brüssel. Das pleitebedrohte Griechenland kann auf weitere EU-Fördergelder hoffen. Spitzenpolitiker der EU stellen neue Notkredite in Aussicht, wenn das Land seine Reformversprechen einhalte. Bei ihrem ersten Brüsseler Gipfeltreffen werden die Trennlinien zwischen Kanzlerin Merkel und dem neuen Präsidenten Hollande sichtbar.

Zuckerbrot und Peitsche: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre EU-Amtskollegen versprechen dem pleitebedrohten Griechenland den raschen Fluss von EU-Fördergeldern. Das solle dem Staat helfen, auf den Wirtschaftswachstumspfad zurückzukehren, erklärten die EU-Spitzenpolitiker nach einem Treffen in Brüssel am Donnerstag.

Unabdingbar für weitere Notkredite sei jedoch, dass Griechenland auch nach den Wahlen Mitte Juni an seinen Spar- und Reformversprechen einhalte. Merkel & Co. drückten das so aus: „Wir wollen, dass Griechenland im Euro-Währungsraum bleibt, solange es seine Zusagen einhält.“ Das sei „die beste Garantie für eine bessere Zukunft im Euro-Raum“. Darüber müsse aber die künftige neue Regierung Griechenlands entscheiden.

Bisher fast 150 Milliarden an Notkrediten

Die Europäer hätten sich bisher äußerst solidarisch mit dem pleitebedrohten Staat gezeigt. Zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds hätten sie Griechenland seit Mai 2010 fast 150 Milliarden Euro an Notkrediten gewährt.

Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande wies Spekulationen über „Planspiele“ zu einem Austritt Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum zurück. Davon wisse er nichts. Er sage aber nicht, dass es dazu keine Überlegungen gebe. „Doch wenn ich öffentlich darüber reden würde, wäre das ein Signal an die Griechen und an die Finanzmärkte.“ Er ziehe es vor, den Griechen zu sagen: „Wir wollen, dass ihr bleibt." Das sei im Interesse des Mittelmeerstaats, der Europäer und der Welt.

Die Euro-Schuldenkrise sorgt seit längerem auch die USA oder China. Sie fürchten die Krisenfolgen wegen der breiten wirtschaftlichen Beziehungen zu Europa.

Merkel und Holland auf Konfrontationskurs 
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Sie kamen getrennt und sie gingen getrennt. Ein Begrüßungsküsschen für die Kameras und Fotografen wie zu Zeiten des jüngst abgewählten französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gab es auch nicht. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Sarkozys sozialistischer Nachfolger Francois Hollande demonstrierten nach einem Abendessen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel zumindest eine grundsätzliche Übereinstimmung, was den Krisenkampf in Europa angeht.

Merkel sieht sich beim Thema Euro-Bonds nicht isoliert

Die Sanierung der Staatsfinanzen und Wachstumsimpulse für die europäische Wirtschaft seien „keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille.“ Das sagte die Kanzlerin in der Nacht zum Donnerstag nach dem fast sechsstündigen Abendessen.

In ihrer lediglich fünfminütigen Pressekonferenz betonte Merkel, dass sie im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs nicht allein dastehe mit ihrer Meinung zum umstrittenen Thema „Euro-Bonds“. Die Diskussion darüber, ob die Staaten künftig gemeinsam Schulden machen und im Notfall zusammen dafür haften sollen, sei aber „sehr differenziert und sehr ausgewogen“ gewesen.

Frankreich hofft auf mehr Spielraum für Wachstumsimpulse

Frankreichs neuer Präsident wurde da schon klarer. Wenn man die deutsche Position optimistisch darstellen wolle, dann sehe Merkel gemeinsame Euro-Staatsanleihen erst als Möglichkeit am Ende einer Entwicklung hin zu mehr Europa. Für Frankreich dagegen seien die Schuldverschreibungen dagegen ein „Start“.

Es gibt weitere Unterschiede zwischen den zwei größten EU-Staaten. Merkel hält Euro-Bonds nicht für geeignet, um der Wirtschaft den dringend benötigten Schwung zu verleihen. Aus Sicht Hollandes würde das gemeinsame Schuldenmachen dagegen dazu führen, dass schlechter beleumundete Länder günstiger Geld borgen könnten. Das helfe ihnen, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Die Politiker hätten damit mehr Spielraum für Wachstumsimpulse.

Hollande präsentiert sich auf der EU-Bühne souverän

Auch eine europäische Steuer auf Börsengeschäfte (Fachjargon: Finanztransaktionssteuer) könnte den Staaten zusätzliches Geld in die Kasse spülen, sagte Hollande in seiner ersten Brüsseler Pressekonferenz. Die dauerte übrigens neun Mal länger als die von Merkel gleich im Saal nebenan; 45 Minuten. Der Präsident präsentierte sich dabei gelöst und souverän.

Das Abendessen – gereicht wurden Spargel, Fisch, Schokoladenmousse und zum Abschluss Mokka – habe so lang gedauert, weil alle 27 europäischen Staats- und Regierungschefs etwas sagten, sagte Hollande. Manche hätten dazu wenige Minuten gebraucht, manche die halbe Nacht.

Hollande, Merkel und ihre EU-Amtskollegen überlegten, wie die schlappe Wirtschaft Europas beflügelt werden könnte. Entscheidungen standen nicht an. Die sollen beim nächsten Gipfeltreffen Ende Juni fallen.

EU-Fördergelder wirksamer einsetzen

Merkel sieht mehrere Felder, in denen die Europäer aktiver werden müssen. Die Staaten müssten bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen. Arbeitsmarktreformen seien nötig, damit mehr Menschen eine Stelle bekämen. Zudem müssten Handelshemmnisse im gemeinsamen europäischen Markt abgebaut werden, sagte Merkel.

Hollande möchte wie Merkel, dass EU-Fördergelder wirksamer eingesetzt werden. Er fordert zudem, dass die Europäische Investitionsbank mehr finanziellen Spielraum bekommt, um wachstumsfördernde Investitionen von Unternehmen zu fördern.

Frankreichs neuer Präsident betonte – anders als seine kurz angebundene EU-Kollegin Merkel -, dass im krisengeplagten Europa beim Thema Wachstum viel auf dem Spiel stehe. „Es gibt eine wirtschaftliche Herausforderung, aber auch eine demokratische“, mahnte der Sozialist. Der politische Populismus nehme zu.

Wirtschaftswachstum erstmals Thema auf EU-Gipfel

In den nordeuropäischen Staaten, die finanziell besser dastehen, seien es viele Bürger müde, klammeren südeuropäischen Ländern zu helfen. In südeuropäischen Ländern steige dagegen der Frust, Sparzwängen ausgesetzt zu sein. Einige Regierungen seien im Zuge der Schuldenkrise gescheitert. Das zeige auch die „Verzweiflung“ der Menschen.

EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD) begrüßte, dass Wachstum das Hauptthema gewesen sei. Seit Oktober 2008 – damals verschärfte die Pleite der US-Bank Lehman Brothers die Weltfinanzkrise – habe es 24 EU-Gipfeltreffen gegeben. Doch der jüngste sei der erste, der dem Thema Wirtschaftswachstum gewidmet wurde.