Brüssel. EU-Politiker stellen sich auch auf möglichen Euro-Austritt des Landes ein. Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, dementierte allerdings Berichte, wonach er die Mitgliedsstaaten beauftragt habe, „nationale Notfallpläne“ auszuarbeiten.
Offiziell verändert sich die Botschaft der Europäer an die Griechen nicht. Das Mantra der Politiker lautet: „Wir wollen, dass Griechenland im Euro-Währungsraum bleibt und zugleich seine Spar- und Reform-Versprechen erfüllt.“ Doch angesichts der Misere in dem pleitebedrohten Staat ist ein Euro-Austritt Griechenlands kein Tabu mehr.
Entsprechend bereiten sich die Politiker vor. Das gleiche gilt für die Wirtschaft. Schon vor einigen Monaten thematisierten der Chef des Industriegase-Konzerns Linde, Wolfgang Reitzle, und der Bosch-Chef Franz Fehrenbach einen Euro-Abschied Griechenlands. Auch die Finanzmärkte hätten sich darauf eingestellt.
Nun sagte Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker stellvertretend für seine EU-Amtskollegen, was zwei Jahre nach Griechenlands Beinahe-Pleite Sache ist: „Selbstverständlich ist es so, dass wir uns auf alle Szenarien einstellen müssen, weil wir ansonsten unserer Aufgabe nicht gerecht würden.“ Der Politiker dementierte nach einem Gipfeltreffen in Brüssel aber Berichte, wonach er die Staaten beauftragt habe, „nationale Notfallpläne“ auszuarbeiten. Juncker ist auch Chef der Eurogruppe, die die Finanzminister der 17 Euro-Staaten umfasst.
Schicksalswahl für Griechenland am 17. Juni
Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande erklärt, warum zumindest er sich zum Thema Euro-Abschied zurückhält: „Wenn ich öffentlich darüber reden würde, wäre das ein Signal an die Griechen und an die Finanzmärkte.“ Einen Auftrag für solche Planspiele braucht es jedoch nicht, damit die Politiker über das Thema nachdenken. Am Montag fanden Euro-Experten bei einem Treffen, dass es für die Staaten sinnvoll sein könnte, zu überlegen, was nach einem griechischen Austritt passieren könnte.
Denn niemand weiß, was geschieht, wenn die Griechen am 17. Juni wirklich Parteien wählen, die vom Sparkurs ab- oder ihn zumindest aufweichen wollen. In so einem Fall, das betonten die Europäer mehrfach, würden sie Griechenland keine Notkredite mehr überweisen: „Solidarität ist keine Einbahnstraße.“ Seit Mai 2010 überwiesen die Europäer und der Internationale Währungsfonds IWF fast 150 Milliarden Euro nach Athen. Stoppt der Geldfluss, schlittert Griechenland in die Pleite.
Griechen könnten bei Austritt kein Geld mehr an Automaten ziehen
Wirtschaftsprofessor Ansgar Belke von der Universität Duisburg-Essen hat sich Gedanken über mögliche Folgen gemacht. Im Pleitefall bekämen griechische Banken kein Geld mehr von der Europäischen Zentralbank geliehen. Sie wären pleite, Bürger könnten kein Geld mehr am Automaten ziehen. Um den für die Wirtschaft so wichtigen Zahlungsverkehr ins Laufen zu bringen, müsse Griechenland rasch eine eigene Währung einführen. Zugleich müssten die Euro-Staaten die wichtigen Banken in Europa stützen.
Die Europäer müssen aus Sicht des Professors auch den EU-Vertrag ändern, damit ein Land nicht aus der EU fliegt, wenn es den Euro aufgibt. Dann könnten die Griechen weiter ohne Beschränkungen auf dem europäischen Binnenmarkt Handel treiben. Belke hält es wegen der Handels- und Investitionsverflechtungen in Europa für denkbar, dass Griechenland den Euro als „Parallel-Währung“ neben der Drachme nutzt. Das nütze der griechischen Wirtschaft.
Die Spekulationen um die Rückkehr zur Drachme beflügelten jüngst auch den Aktienkurs des weltgrößten Gelddruckers De La Rue, der in Großbritannien sitzt. In Griechenland selbst könnten keine Drachmen hergestellt werden. „Es gibt nur eine Gelddruckmaschine“, sagt der Chef der Beratungsfirma Global Strategy, Mario Efthymiopoulos. „Die steht in Athen im Museum und funktioniert nicht mehr.“