Berlin/Brüssel. . Angela Merkel bringt ein neues EU-Gremium ins Spiel und würde dafür auch Macht abgeben. Zu einer politische Union ist der Weg aber noch weit. Die Bewältigung der Schuldenkrise hat Vorrang.

Als viertes Euroland schlüpft Spanien unter den Rettungsschirm EFSF. Um ihren maroden Banken zu helfen, können die Spanier mit Krediten von bis zu 100 Milliarden Euro rechnen. Die Spanier haben sich lange gesträubt. Ihre Kehrtwende war fällig, ist aber nicht das Ende der Krise. Die wichtigsten Aspekte im Überblick:

Die zweite Welle

Die Euro-Krise läuft nach den Worten von SPD-Oppositionschef Frank-Walter Steinmeier „in einer zweiten Welle“ auf Deutschland zu. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte in der „Welt“, „so, wie es im Moment läuft, kann die Währungsunion nicht nachhaltig funktionieren.“ Die SPD will über die Euro-Politik am Mittwoch erst in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und noch am selben Tag in Paris mit dem neuen französischen Präsidenten François Hollande beraten. Er setzt darauf, dass die Deutschen ihren Zinsvorteil mit den schwächeren EU-Staaten teilen. Für Euro-Bonds hat Merkel erstmals ihren Preis genannt: Über die Gemeinschaftsanleihen müsste ein EU-Gremium entscheiden und nicht die Nationalstaaten. Merkel wäre bereit, dafür Schritt für Schritt Kompetenzen abzutreten, also Macht.

Der Haftungsverbund

Über erste Skizzen für einen solchen neuartigen Haftungsverbund berichtet der „Spiegel“. Der Auftrag ging an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Ratspräsident Herman Van Rompuy, EZB-Präsident Mario Draghi sowie Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker. Das Konzept würde laut „Spiegel“ für Europa „nichts weniger als eine Revolution bedeuten“. Geben die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel Ende Juni dafür grünes Licht, bleibt es dennoch ein langer Weg zu einer engeren politischen Union: Der EU-Vertrag müsste geändert werden.

Krisenmanagement geht vor

Vorrang hat das Krisenmanagement. Die Banken ächzen unter den Folgen eines geplatzten Immobilienbooms in Spanien. Für faule Kredite müssen sie Geld beiseite legen, das sie oft nicht haben. Da soll der EFSF einspringen. In Berlin benennt die Opposition die Zielkonflikte: Das Geld soll an Spanien ausgezahlt werden, aber „keinesfalls zur allgemeinen Haushaltssanierung verwendet werden“, fordert Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Die Mittel sollen zweckgebunden genehmigt werden, aber die Banken sollen „nicht bedingungslos“ gerettet werden, so Trittin weiter. Zugleich soll die Rettung nicht zum Präzedenzfall werden, mahnt wiederum der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider. Er sorgt sich, dass der Rettungsschirm für Staaten in einen Banken-Fonds umfunktioniert wird. Das würde Irland oder Zypern auf den Plan rufen – auch ihre Banken haben Refinanzierungsprobleme.

Sicherheiten und Unsicherheiten

Auf Notkredite waren bisher kleinere Euro-Staaten wie Irland, Griechenland und Portugal angewiesen. Für jeden Rettungsfonds – EFSF, demnächst ESM – bürgen die Euro-Länder und damit die Steuerzahler, am stärksten die Deutschen. Und sie haften noch einmal, wenn die EZB Anleihen von überschuldeten Staaten kauft. Die Unsicherung in Berlin nimmt derweil zu. Sorge bereitet vor allem die Griechenland-Wahl am kommenden Sonntag. Es ist offen, ob danach eine Regierung gebildet wird, die alle EU-Auflagen akzeptiert; und ob Athen den Verbleib in der Euro-Zone anstrebt.

Unsicherheitsfaktor Nummer zwei: An der Besteuerung der Finanzmärkte gibt es neue Zweifel. Der Grund sind Meldungen, wonach die Regierung Merkel sich nur zum Schein darauf einließ und ein Scheitern der Verhandlungen in Europa einkalkuliert. Schon warnt die SPD, ohne ein „unumkehrbares Bekenntnis“ zur Börsensteuer werde man dem Fiskalpakt und ESM nicht zustimmen. Die Regierung braucht dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Auch eine Verständigung mit den Bundesländern steht noch aus.