Mülheim. . Familienministerin Kristina Schröder hat in Mülheim vor Tengelmann-Mitarbeitern für ihre Familienpflegezeit geworben - und von ihren eigenen Schwierigkeiten erzählt, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. So viel Zustimmung erfährt Schröder in diesen Zeiten selten.
Dem von ihr mitgetragenen Betreuungsgeld droht eine Verfassungsklage, gegen ihre Haltung zur Frauenquote opponieren selbst Kolleginnen aus der eigenen Partei vehement. Da mag es für Familienministerin Kristina Schröder (CDU) äußerst entspannend sein, ab und zu mal ein weniger umstrittenes Thema zu präsentieren. So gestern in der Zentrale der Tengelmann-Unternehmensgruppe in Mülheim. Eingeladen von deren Chef, Karl-Erivan Haub, wirbt die junge Ministerin für die von ihr eingeführte Familienpflegezeit.
Beiger Anzug, violettes Shirt, die Haare zum Zopf zusammengefasst, sitzt sie in einem Korbsessel auf dem Podium und erahnt schon bei ihrer Begrüßung durch Firmen-Chef Haub, dass dies ein eher angenehmer Termin sein wird.
So viel Verständnis, so viel Lobendes hat die Ministerin in den vergangenen Monaten nicht so häufig erfahren dürfen. Auch er, Haub, sei oft der Jüngste gewesen, habe erleben müssen, mit seinen Ansichten nicht immer auf Zustimmung zu stoßen und dass es Jahre dauern könne, sich durchzusetzen. „Ich beneide Sie nicht, Politiker haben nicht so viel Zeit“, so Haub, der des öfteren CDU-Politiker in sein Unternehmen einlädt.
„Eine wahnsinnige Herausforderung“
Kristina Schröder weiß dies gestern gut zu nutzen. Pflege von kranken Angehörigen, von Alten werde zumeist von Frauen übernommen. Die jetzige Generation, so die Ministerin, sei jedoch überwiegend berufstätig. „Was für eine wahnsinnige Herausforderung das ist, kennt jeder von uns aus seinem eigenen Umfeld“, sagt Schröder und genau das sei der Hintergrund gewesen, ein Gesetz zu erlassen, dass es Berufstätigen ermöglicht, sich um Angehörige zu kümmern, aber dennoch im Beruf zu bleiben.
Der aktuelle Stand ist der: Durch das seit dem 1. Januar geltende Familienpflegezeitgesetz können Berufstätige zwei Jahre lang ihre Arbeitszeit auf 50 Prozent reduzieren und gleichzeitig 75 Prozent ihres Gehalts erhalten. Ausgeglichen wird dies durch zwei weitere Jahre, in denen bei gleichem Gehalt Vollzeit gearbeitet wird. Der Unternehmer Karl-Erivan Haub unterstützt das Modell, will es erproben. Haub: „So wie mein Vater für die Mitarbeiter ein Freizeitheim baute, widme ich mich dem Thema Gesundheit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“
Gemeinsame Zeit fehlt
Auch bei den zum Podiumsgespräch geladenen Tengelmann-Mitarbeitern kommt die Familienpflegezeit offensichtlich gut an. Mancher kennt die Pflege-Situation bereits, andere sehen sie auf sich zukommen. „Ich finde das Gesetz gut. Ich glaube allerdings, dass es für einige Mitarbeiterinnen schwierig wird, es in Anspruch zu nehmen. Gerade im Einzelhandel arbeiten viele alleinstehende Frauen. Die können sich nicht leisten, auf Geld zu verzichten“, sagt Astrid Riedl, eine Betriebsrätin.
Oftmals ist es jedoch die gemeinsame Zeit, die den Familien am meisten fehle, wenn beide Partner berufstätig sind. Die Ministerin, selbst seit knapp einem Jahr Mutter, gibt das unumwunden zu. Schröder: „Ich versuche, möglichst viel wertvolle Zeit für meine Tochter freizuhalten. Termine am Abend oder am Wochenende überlege ich mir zehnmal. Als Familien-Ministerin darf ich auch schon mal sagen, dass ich ein Betreuungs-Problem habe, ohne dass mein Gegenüber verschämt wegguckt“.