Berlin/Essen. . Nach der Schlecker-Pleite geht es weiter: Die Mitarbeiterinnen des insolventen Unternehmens dürfen auf eine Umschulung zur Erzieherin hoffen. Politik, Gewerkschaften und die Bundesagentur für Arbeit stricken an dieser konkreten Job-Perspektive für die Schlecker-Frauen. Kitas bekämen so die benötigten Fachkräfte.
25.000 Frauen sind von der Schlecker-Insolvenz betroffen, viele von ihnen werden es schwer haben, einen gleichwertigen Job zu finden. Nun wollen Bundesarbeitsministerin von der Leyen, Bundesagentur-Chef Frank-Jürgen Weise und verdi-Chef Frank Bsirske aus der Not eine Tugend machen – und Schlecker-Mitarbeiter für die hängeringend gesuchen Fachkräfte in Kitas und Altenheimen fitmachen. Schließlich fehlen in den alten Bundesländern mehr als 12.000 Erzieherinnen und 17.000 Tagesmütter, um ab August 2013 jedem dritten Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen zu können.
Wie soll das funktionieren?
Schlecker-Frauen, die nicht rasch eine neue Arbeit finden, sollen die Möglichkeit zur Umschulungen und Weiterbildung bekommen. In strukturschwachen Regionen soll sogar ein spezielles Arbeitsagentur-Programm aufgelegt werden, für das 400 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
An wen richtet sich das Angebot?
Die Arbeitsagenturen wollen mit allen 25.000 Schlecker-Frauen ein individuelles Gespräch führen, wie Bundesagentur-Sprecherin Susanne Eikemeier gegenüber dieser Zeitung erklärt. Ein Teil werde sicher sofort wieder in Arbeit vermittelt werden können und kaum Interesse an dem Angebot haben. Die Bundesagentur schult ohnehin schon jetzt jedes Jahr etwa 2500 Menschen zu Kita-Erzieherinnen um. Auch die Schlecker-Frauen müssen die notwendigen Qualifikationen vorweisen, betont die Bundesagentur für Arbeit: Für Erzieher- und Altenpflegeausbildung ist meist ein mittlerer Schulabschluss notwendig oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Ein Drittel der Schlecker-Beschäftigten haben laut Arbeitsministerium keinen Berufsabschluss. Wieviel Frauen von dem Angebot Gebrauch machen – darüber gibt es noch keine Prognosen.
Wie läuft die Umschulung?
Die Ausbildung für beide Berufe dauert regulär 3 Jahre. Die Betroffenen erhalten während der Weiterbildung Arbeitslosengeld – 67 Prozent des letzten Nettolohnes. Die Schulkosten für die ersten beiden Jahre übernimmt die Arbeitsagentur – unklar ist noch, wie das dritte Schuljahr finanziert wird.
Wie reagiert die Politik?
Unterschiedlich. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat den Vorschlag ihrer Kabinettskollegin begrüßt: Mit der Umschulung der Schlecker-Mitarbeiterinnen könne der schleppende Kita-Ausbau voran gebracht werden. Zwingend sei aber hohe Qualität bei der Aus- und Weiterbildung in diesem „sensiblen Bereich“. Katja Dörner, familienpolitische Sprecherin der Grünen, ist anderer Meinung. „Es ist ein Irrglaube, die U-3-Problematik durch die Schlecker-Frauen lösen zu können“, sagte sie der WAZ. Für Verdi-Chef Bsirske ist das Angebot für die Schlecker-Frauen das Beste, was man aus einer dramatischen Situation machen könne.
Was halten Verbände von der Idee, Schlecker-Frauen in die Kitas zu holen?
Heinz Hilgers, Kopf des Kinderschutzbundes, ist optimistisch: In einer mehrjährigen, ganztägigen Berufsausbildung könne man sicherlich das jetzige Niveau von Erziehern erreichen. Vorausetzung sei allerdings, dass die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen auch mit Kindern pädagogisch arbeiten wollen. Um das herauszufinden schlägt Hilgers vor, die Ausbildung durch Praktika zu ergänzen.
Vor „Schnellschüssen“ warnt Uwe Kamp, Sprecher des Deutschen Kinderhilfswerks. Wenn es sich aber um eine vernünftige Ausbildung handele, sei der Plan zu unterstützen“, so Kamp. Dagegen kann Peter Wenzel, Geschäftsführer des Kita-Zweckverbandes im Bistums Essen, dem Vorschlag nichts abgewinnen. „Die Kinder haben hochqualifizierte Betreuungspersonen mit einer vierjährigen Ausbildung auf hohem Niveau verdient, so Wenzel. „Alle, die etwas anderes fordern, spielen mit der Zukunft der Kinder.“