Essen. . Verbände reagieren enttäuscht auf die Aussage des Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der hatte sich in einem Interview von der Aussage seines Amtsvorgängers Wulff distanziert, der Islam gehöre zu Deutschland. Von Seiten der Politik gibt es auch unterstützende Stimmen.
Schon seine Amtseinführung beäugten viele deutsche Muslime mit großer Skepsis. Joachim Gauck habe sich nicht genügend von Thilo Sarrazin distanziert, hieß es. Der Bundespräsident hatte dem umstrittenen Autor attestiert, „Mut bewiesen“ zu haben. Salz in die offene Wunde einer Debatte, die stets emotional völlig überladen geführt wird. Mit seinen jüngsten Äußerungen hat Gauck offenbar die Gräben vertieft. Die muslimische Community reagiert mit Unverständnis und Ärger auf die Richtigstellung, nicht der Islam, nur die Muslime gehörten zu Deutschland.
„Meinungsmache auf Kosten des Islam“
„Das ist Wortklauberei“, sagt Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des Liberal-islamischen Bundes. Sie werde das Gefühl nicht los, dass hier eine „Scheindebatte“ geführt werde, bei der es um Populismus und Stimmenfang geht. „Schon wieder wird auf Kosten des Islams Meinungsmache betrieben.“ Auch wenn es sie nicht wundere, dass Gauck sich des Themas annimmt, habe sie von einem Theologen anderes erwartet: „mehr Toleranz und Wissen über andere Religionen“. Nun stelle er sich in eine Reihe von Aussagen, die statt versöhnlich zu sein nur der Abgrenzung dienten.
Die Islamfrage als Gralsfrage
Laut Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, ist genau dies das Destruktive an der gesamten Debatte: „Statt nach Wegen des Gemeinsamen zu suchen, fragt man nach dem ,Ihr’ und ,Wir’“. In den vergangenen Jahren hätten „die Themen, die uns trennen“ immer weiter zugenommen. Mazyek: „Das ist irritierend.“ Eine Erklärung sei, dass es nur vordergründig um den Islam oder die Muslime gehe. „Gerade in Zeiten des Umbruchs ist die Diskussion über den anderen und wie er hierhinpasst immer auch die Frage nach der eigenen kulturellen und nationalen Identität.“
Jenseits der eigenen Identitätskrise beobachtet Mazyek die Erwartung an Menschen in Spitzenpositionen, sich zum Islam zu positionieren. „Das gehört zum Ritual“, sagt Mazyek, „die Islamfrage als Gralsfrage.“ Andererseits jedoch bedauere man, dass Integrationsthemen mit Religion überfrachtet würden.
Während Kaddor es für „hanebüchen“ hält, zu diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehört, bezeichnet Güner Deniz, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde NRW, das Statement Gaucks schlichtweg als „Blödsinn“. Zu sagen, die Muslime, aber nicht der Islam gehörten dazu, sei ein Widerspruch in sich. „Was will er damit bezwecken?“, fragt Deniz. Die Integrationsdebatte werfe es um zwei Schritte zurück.
Lob von FDP und Union für Gauck
Unterstützung erhält Gauck im Bund von FDP und Union. Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP, sagte, Muslime seien ein „bereichernder Teil der deutschen Gegenwart und Zukunft“. Die hiesige Tradition sei aber „fraglos christlich und jüdisch geprägt“. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl, lobte die Worte Gaucks. „Der Islam bleibt für uns eine fremde Religion, dennoch sind die Muslime herzlich willkommen.“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt betonte, Deutschland sei ein christlich geprägtes Land mit christlicher Historie und christlich fundierter Werteordnung.