Essen. Eine Äußerung zu Israel, eine zum Islam - Bundespräsident Joachim Gauck sorgt derzeit gleich mehrfach für Diskussionen. WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz erklärt, warum Gauck in Sachen Israel falsch lag - und beim Islam völlig richtig.
Mangelndes Selbstbewusstsein wird man Joachim Gauck ganz gewiss nicht nachsagen können. Unser Bundespräsident predigt nicht nur die Segnungen der Freiheit, er lebt seine eigene Freiheit auch lustvoll aus. Gauck mag das Große: Was heißt deutsche Staatsräson in Bezug auf Israel? Wie ist es um die Beziehung zwischen dem Islam und Deutschland bestellt?
Gauck ist mutig und wird unserer Debattenkultur, die von Vor- und Rücksichten und Schablonen und Vorhersagbarem geprägt ist, nur gut tun. Auch wenn Gauck in seiner Lust, sich selbst zuzuhören, auch mal daneben langt.
Unangemessene Nebenaußenpolitik - ein klarer Fehler
In Israel setzte Gauck sich von der Kanzlerin ab. Angela Merkel hatte vor vier Jahren bekannt, Israels Schicksal sei für sie deutsche Staatsräson. Das war gut gemeint, aber auch interpretationsfähig. Soll das heißen, falls Israel angegriffen würde, würden die Deutschen mit Bodentruppen helfen? Oder mit U-Booten? Oder doch nur mit Waffenlieferungen? Merkel ließ es im Dunkeln, setzte aber eine Geste, die in Israel verstanden und begrüßt wurde.
Gauck wiederum ging in Israel auf Distanz zur Kanzlerin, was ganz gewiss ein Verstoß gegen die diplomatischen Spielregeln ist, wonach außenpolitische Debatten nicht im Ausland ausgetragen werden, sondern hierzulande. Ein Bundespräsident, der in der Israelpolitik in Israel einem deutschen Regierungschef widerspricht: Das geht gar nicht, das ist unangemessene Nebenaußenpolitik, ein klarer Fehler.
Natürlich gehören Muslime, die hier leben, zu Deutschland
In der „Zeit“ setzt sich Gauck von seinem Amtsvorgänger ab, was an sich schon bemerkenswert ist, umso mehr, als er ein Tabu angeht, den Islam. So ziemlich das einzige, was von Christian Wulff in Erinnerung bleiben dürfte, ist der Satz: Der Islam gehört zu Deutschland. Auch wenn Wulff damals das Grundgesetz über den Islam stellte, blieb allein der Islam-Satz hängen. Wulff hatte es wohl auch so gewollt.
Und eben diesen Satz will Gauck nicht stehen lassen. Hier hat er Recht. Natürlich gehören die vielen Muslime, die hier leben, zu Deutschland. Ob man das aber von der islamischen Religion sagen kann, die, anders als das Christentum, einen schmerzlichen Prozess der Aufklärung erst noch vor sich hat, ist durchaus zweifelhaft.