Essen. Bundespräsident Gauck fordert eine differenzierte Sicht auf den Islam in Deutschland. Die Aussage seines Amtsvorgängers Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, teile er in ihrer Intention, sagte Gauck laut Medienberichten. Er selbst hätte jedoch eine andere Formulierung gewählt.

Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht? Seitdem der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff in seiner Rede zum Jahrestag der Deutschen Einheit 2010 sagte, der Islam gehöre mittlerweile zu Deutschland, wird darüber diskutiert. Jetzt hat sich der amtierende Bundespräsident zu dieser Aussage zu Wort gemeldet. Joachim Gauck schildert in einem Interview mit der "Zeit", wie er die Zugehörigkeit der Muslime zu Deutschland bewertet.

Wulffs Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" hat Joachim Gauck in seiner Amtszeit bisher nicht wiederholt. "Die Intention der Aussage nehme ich aber an", sagte Gauck. Die Absicht dahinter sei gewesen, zu sagen: "Leute, bitte einmal tief durchatmen und sich der Wirklichkeit öffnen. Und die Wirklichkeit ist, dass in diesem Land viele Muslime leben."

Diskurs auf Augenhöhe

Die Ein-Satz-Formulierung sei bei Fragen der Zugehörigkeit immer heikel, besonders wenn es um Themen wie Religion gehe, meinte Gauck. Er selbst hätte eine andere Formulierung gewählt: "Die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland." Es gehe um die Gemeinsamkeit der Verschiedenen, dies hab er bereits in seiner Antrittsrede deutlich gemacht, so Gauck. "Das bedeutet Beheimatung nicht durch Geburt, sondern durch Bejahung des Ortes und der dort geltenden Normen."

Im "Zeit"-Interview begrüßte Gauck zudem die Schaffung von Lehrstühlen für Islamwissenschaften und die Ausbildung islamischer Religionslehrer. Dies befördere einen Diskurs auf Augenhöhe, so Gauck.

Zur Feier des Jahrestages der deutschen Einheit hatte der damalige Bundespräsident Christian Wulff am 3. Oktober 2010 den Islam als Teil der deutschen Kultur bezeichnet. Nicht allein der Pass oder der Glauben sollten über die Zugehörigkeit zu Deutschland entscheiden, sagte Wulff damals. Neben dem Christen- und Judentum, die "zweifelsfrei" Bestandteil der deutschen Kultur seien, gehöre auch der Islam mittlerweile zu Deutschland.