Köln. . Das Kinderhilfswerk Unicef schlägt Alarm: In Deutschland leben fast 2,5 Millionen Kinder in Armut oder sind schlecht versorgt. Andere Länder Europas schneiden viel besser ab.
Keine tägliche warme Mahlzeit, kein Platz für Hausaufgaben, nur ein Paar Schuhe: Fast neun Prozent der Kinder in Deutschland sind unzureichend mit wichtigen Gütern versorgt, obwohl ihre Familien nicht als arm eingestuft werden, wie eine neue Unicef-Studie zeigt. Im Vergleich von 29 Industriestaaten schneidet Deutschland bei der Versorgung von Kindern nur mittelmäßig ab. Der Geschäftsführer des Kinderhilfswerks in Deutschland, Christian Schneider, sprach von einem enttäuschenden Ergebnis und verlangte politische Gegenmaßnahmen.
Für die Studie wurde ein sogenannter Deprivationsindex erstellt. Das Unicef-Forschungsinstitut in Florenz analysierte 14 Faktoren - etwa Platz für Hausaufgaben, einen Internetanschluss im Haushalt und Freizeitaktivitäten, etwa in einem Sportverein. In allen untersuchten Ländern zusammen gibt es demnach 13 Millionen Kinder, die auf mehr als zwei dieser Dinge verzichten müssen und nach Unicef-Interpretation in einer „besonderen Mangelsituation“ leben.
Jedes 20. Kind hat keine tägliche warme Mahlzeit
In Deutschland sind 8,8 Prozent der Kinder betroffen. Das bedeutet im Ländervergleich Platz 15 von 29. Die obersten Plätze der Tabelle nehmen Island, Schweden und Norwegen ein, ganz unten stehen Ungarn, Bulgarien und Rumänien.
Der Studie zufolge leben etwa 1,2 Millionen Kinder in Deutschland in einer „besonderen Mangelsituation“. Am häufigsten mangelt es ihnen an regelmäßigen Freizeitaktivitäten. Etwa jedes zwanzigste Kind muss auf eine tägliche warme Mahlzeit verzichten. 4,4 Prozent der Mädchen und Jungen haben keinen Platz, an dem sie ihre Hausaufgaben machen können, 3,7 Prozent besitzen höchstens ein einziges Paar Schuhe.
Arbeitslosigkeit der Eltern wohl eine Ursache
Ziel der Untersuchung war es, die Lebenswirklichkeit armer Kinder in reichen Ländern konkreter abzubilden. Die Situation der Mütter und Väter ist ein entscheidender Faktor für die „besondere Mangelsituation“: In 42,2 Prozent der Fälle sind die Eltern arbeitslos, 35,6 Prozent haben lediglich einen niedrigen Bildungsabschluss.
„Es ist enttäuschend, dass Deutschland es nicht schafft, die materiellen Lebensbedingungen für Kinder entscheidend zu verbessern“, sagte Unicef-Geschäftsführer Schneider. „In Zeiten der Haushaltskonsolidierung tut es besonders Not, gezielt die am meisten benachteiligten Kinder zu unterstützen.“ In reichen Industrieländern sollte kein Kind notwendige Dinge entbehren müssen, mahnte Schneider. Bund, Länder und Kommunen müssten gemeinsam „klare Ziele mit Zeitangaben“ vereinbaren, um „Armut und Ausgrenzung Schritt für Schritt abzubauen“.
Unicef forderte neben einem umfassenden Aktionsplan auch eine bessere Datengrundlage zur Kinderarmut. Mindestens einmal im Jahr müsse die Lage der Kinder untersucht werden, forderte die Organisation. (dapd)