Berlin. Der Kinderschutzbund wirft der Regierung vor, Kinder durch die geplante Anrechnung des Betreuungsgeldes für Hartz-IV-Empfänger bewusst ins Abseits zu schieben.

Sozialverbände und Kirchenvertreter laufen Sturm gegen die geplante Anrechnung des Betreuungsgeldes für Eltern, die Hartz-IV-Leistungen empfangen. Sie warfen der schwarz-gelben Regierung am Donnerstag vor, Kinderarmut damit in Kauf zu nehmen.

"Wir sehen die Gefahr einer sozialen Schieflage beim Betreuungsgeld. Eine Anrechnung auf Hartz-IV-Leistung benachteiligt die Familien, die das Geld am dringendsten benötigten", sagte Elisabeth Bußmann, Präsidentin des Familienbundes der Katholiken, den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Auch Präses Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), forderte, das Betreuungsgeld dürfe "nicht an Einzelne ausgezahlt werden", sondern müsse in den Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten fließen. "Damit kämen wir auf dem Weg zur Bildungsgerechtigkeit und zu verbesserten Lebenschancen für benachteiligte Kinder einen guten Schritt weiter", sagte Schneider.

Harsche Kritik der Verbände

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warf der Bundesregierung vor, mit ihren Plänen zum Betreuungsgeld arme Kinder bewusst ins Abseits zu schieben. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Hilgers, der Kinderschutzbund habe das Betreuungsgeld von Anfang an abgelehnt, weil es falsche Anreize setze. Der Plan von Union und FDP, dass nun Hartz-IV-Empfänger vom Betreuungsgeld ausgeschlossen werden sollen, mache das Geschacher um diese familienpolitische Leistung endgültig "abstoßend und unwürdig". Mit dem christlichen Menschenbild von CDU und CSU, jeden einzelnen Menschen wertzuschätzen und zu fördern, habe dies wenig zu tun.

Die vor allem auf Drängen der CSU vom Koalitionsausschuss vereinbarte Leistung von zunächst 100, später 150 Euro monatlich sollen Eltern erhalten, die ihre Kleinkinder selbst betreuen und nicht in eine Kita schicken. Dafür sind für 2013 400 Millionen Euro vorgesehen, für 2014 bereits 1,2 Milliarden Euro. Mehrere CDU-Abgeordnete haben angekündigt, gegen das Vorhaben zu stimmen.

Auch die FDP ist gegen das Vorhaben, würde es aber aus Koalitionsräson mittragen. Im Mittelpunkt stand am Mittwoch die Frage, ob das Betreuungsgeld möglicherweise auf Hartz-IV-Bezüge angerechnet wird.

Bei den Krankenkassen hat die Debatte um das Betreuungsgeld unterdessen einen neuen Gedanken aufkommen lassen. Sie wollen nun das Kinderkrankengeld nach dem Vorbild des Betreuungsgelds reformieren. Kinderkrankengeld übernehmen die Kassen derzeit, wenn ein Elternteil nicht arbeitet, um das kranke Kind zu betreuen. Die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) schlägt nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" vor, dass das Kinderkrankengeld auch dann gezahlt werden soll, wenn nicht die Eltern, sondern etwa Tagesmütter einspringen. Es passe nicht zum Bemühen, Familien und Beruf besser vereinbar zu machen, wenn man Eltern dazu verpflichte, "von der Arbeit fernzubleiben, um die Versorgung im Krankheitsfall sicherstellen zu können", heißt es in einem Positionspapier der Kasse, das der Zeitung vorliegt.

Piraten gegen die geplante Familienleistung

Die Piratenpartei schließt sich den Kritikern des geplanten Betreuungsgeldes an. Parteichef Sebastian Nerz sagte am Donnerstag, eine Unterstützung für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, fördere in erster Linie das konservative Familienmodell. In diesem bleibe die Frau zu Hause bei den Kindern, während nur der Mann arbeiten gehe. Die Piraten seien hingegen für eine gleichwertige Anerkennung verschiedener Familienmodelle. Nerz verlangte, das Betreuungsgeld lieber in den Ausbau von Kitaplätzen zu investieren. Es müsse einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung von Geburt an geben. (dapd)