Gütersloh. Die Kinderarmut in Deutschland nimmt ab - es gibt aber krasse regionale Unterschiede. Einer aktuellen Studie zufolge ist die Armutsquote in Berlin bundesweit am höchsten. Schlusslicht in NRW ist Gelsenkirchen. Hier sind rund 40 Prozent aller Unter-Dreijährigen wachsen dort in Armut auf.

Nordrhein-Westfalen hat im Kampf gegen Kinderarmut großen Nachholbedarf. Zu diesem Schluss kommt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh. Demnach hat NRW bei den unter Dreijährigen mit 22,7 Prozent die höchste Armutsquote unter den westdeutschen Flächenländern. Betroffen sind rund 100.900 Kinder. Damit liegt das Land sowohl über dem Bundesschnitt als auch über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer (17,2 Prozent).

Landesweit sind die Unterschiede der Studie zufolge enorm: Schlusslicht ist die Ruhrgebietsmetropole Gelsenkirchen, wo 40 Prozent der unter Dreijährigen in Armut aufwachsen. In Münster lebt dagegen nur jedes fünfte Kind in diesem Alter in armen Verhältnissen. Im Kreis Coesfeld sind nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen aus 2009 rund neun Prozent der kleinen Kinder betroffen, im Kreis Recklinghausen war der Anteil mit 28 Prozent mehr als dreimal so hoch.

Beste Quote in Bayern

Die erfreulichste Quote verzeichnet Bayern mit lediglich zehn Prozent armen Kindern unter drei Jahren. In Berlin sind dagegen prozentual die meisten Kinder betroffen (36,3 Prozent). In Nordrhein-Westfalen konnte die Kinderarmut geringfügig gesenkt werden: Zwischen 2008 und 2010 ging die Quote um 0,3 Prozentpunkte zurück. Ein Positivtrend sei in allen Bundesländern festgestellt worden, heißt es in der Studie.

"Armut darf nicht in Chancenlosigkeit münden", sagte das Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. Wo die Probleme größer seien, müsse auch mehr Geld für gute Kitas und gezielte Förderung in Brennpunkten investiert werden.

Die Angaben der Bertelsmann-Stiftung decken sich generell mit Zahlen, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg vor einer Woche veröffentlicht hatte. Demnach lag die Hartz-IV-Quote bei Kindern unter 15 Jahren im Jahr 2010 bundesweit bei 15,1 Prozent, wies aber starke regionale Schwankungen auf. In Berlin waren es 34,7 Prozent, in Bayern sieben Prozent und in Baden-Württemberg 8,2 Prozent.

Bertelsmann-Studie betrachtet nur Unter-Dreijährige

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung beschränkt sich im Gegensatz zu den Zahlen der BA auf die Gruppe der unter Dreijährigen, da diese nach Angaben der Verfasser von allen Kindern und Jugendlichen das höchste Armutsrisiko tragen. Die Daten der Stiftung zu einzelnen Städten und Landkreisen stammen außerdem aus 2009, die zu den Bundesländern jedoch - wie die der BA - aus dem Jahr 2010.

Die Bertelsmann-Studie bezeichnet die Zahlen in ihrer Untersuchung als "Armutsquote". Tatsächlich handelt es sich deren Angaben zufolge jedoch um die Quote der Kleinkinder, deren Familien die staatliche Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II), also Hartz IV, erhalten. Experten weisen darauf hin, dass die Zahl der Transferempfänger nicht mit der Zahl armer Menschen übereinstimmen muss. Auch Familien ohne Anspruch auf Hartz IV können nach anderen Definitionen als arm gelten, etwa weil sie nur wenig verdienen.

An zwei Beispielen weist die Studie der Stiftung zudem nach, dass die Unterschiede in den Hartz-IV-Bezugsquoten innerhalb von Städten teils erheblich größer sein können als zwischen Bundesländern oder Regionen. So zeigt die Auswertung für Heilbronn in Baden-Württemberg und Jena in Thüringen, dass die Quoten in verschiedenen Stadtteilen zwischen etwa einem und mehr als 50 Prozent schwanken. Bertelsmann-Vorstandsmitglied Jörg Dräger plädierte als Konsequenz aus der Studie für eine stärkere Konzentration staatlicher Förderung auf soziale Brennpunkte. Diese solle etwa gezielt an Kindertagesstätten gehen. (dapd/afp)