Berlin. Laut der jüngsten Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung nehmen die öffentlichen Haushalte in diesem Jahr 2,9 Milliarden Euro weniger Steuern ein als noch im Mai geschätzt. Trotzdem sollen die von Schwarz-Gelb geplanten Steuersenkungen kommen, kündigte Finanzminister Schäuble an.
Trotz sinkender Steuereinnahmen und hoher Schuldenlast will Finanzminister Wolfgang Schäuble die von Union und FDP versprochenen Steuersenkungen ohne Abstriche in Kraft setzen. "Die Koalitionsvereinbarung gilt. Sie wird umgesetzt und verwirklicht. Sie ist auch richtig und notwendig", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin nach Veröffentlichung der neuen Steuerschätzung. Der Prognose zufolge fallen die Steuereinnahmen wegen der Rezession mager aus. Bund, Länder und Gemeinden müssen dieses Jahr mit knapp drei Milliarden Euro weniger auskommen als noch im Mai angenommen.
Schäuble sagte auf die Frage, ob die Steuersenkungspläne des Koalitionsvertrags nicht wegen der knappen Staatsfinanzen zu den Akten gelegt werden müssten: "Nein. Das hat damit gar nicht zu tun."
FDP und auch der Handwerksverband verlangten ihrerseits zügige und spürbare Entlastungen für Bürger und Betriebe. Konsum und Investitionen könnten nur so in Schwung kommen, meinten sie. Der Städtetag warnte aber, vielen Kommunen drohe der Kollaps, wenn ihre Steuereinnahmen weiter schrumpfen.
Schuldengrenze soll eingehalten werden
Dazu sagte Schäuble, die Konjunktur bessere sich zwar, doch stecke Deutschland immer noch in der mit Abstand schwersten Rezession seit Kriegsende. "Die Mindereinnahmen sind nicht mehr ganz so dramatisch wie befürchtet, aber sie sind erheblich." Schäuble bekräftigte überdies sein Ziel, die schon im Juni beschlossene Höchstgrenze für die Neuverschuldung im Etat 2010 von 86,1 Milliarden Euro nicht zu überschreiten.
Die gesamten Steuereinnahmen des Staates betragen demnach 524,1 Milliarden Euro im laufenden Jahr und 511,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Die Prognose für 2010 wurde gegenüber der Mai-Schätzung leicht um rund 1,1 Milliarden Euro angehoben. Grund sind die etwas besseren Konjunkturaussichten.
Leichte Zuwächse in 2010
Für den Bund ergeben sich wegen niedrigerer Abführungen an die EU sogar im laufenden Jahr Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro. Länder und Gemeinden müssen 2009 hingegen ein Minus von 2,0 beziehungsweise 1,0 Milliarden Euro einkalkulieren.
Im Jahr 2010 stehen dann einem leichten Zuwachs beim Bund - nämlich plus eine Milliarde - konstante Einnahmen bei den Ländern und Einbußen bei den Gemeinden von minus 1,1 Milliarden Euro gegenüber.
Laut Ministerium verbleibt die wirtschaftliche Aktivität bis Ende nächsten Jahres «auf niedrigem Niveau». Zugrunde gelegt haben die Schätzer, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2009 um 3,9 Prozent schrumpft und 2010 um 1,6 Prozent wächst. Dies entspricht gegenüber der Steuerschätzung vom Mai einer Aufwärtskorrektur von plus 1,4 beziehungsweise 0,4 Prozentpunkten.
Wulf mahnt, Steuerreform nicht über's Knie brechen
Nach Bekanntgabe der Steuerschätzung hat der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff die schwarz-gelbe Bundesregierung vor einer raschen Strukturreform des Steuersystems gewarnt. «Die große Steuerstrukturreform muss in Ruhe erarbeitet werden», sagte Wulff dem «Hamburger Abendblatt» (Freitagausgabe). Dass Deutschland eine Steuerreform nach den Grundsätzen einfacher, niedriger und gerechter brauche, könne allerdings nicht bezweifelt werden.
Der niedersächsische Ministerpräsident sprach sich dafür aus, die bislang für das kommende Jahr vorgesehene Neuverschuldung von 86,1 Milliarden Euro nicht zu überschreiten. «Die leicht günstigere Einschätzung der Steuerschätzer hilft uns, im Rahmen der für 2010 vorgesehenen Nettoneuverschuldung die sinnvollen Maßnahmen der neuen Bundesregierung bei der Erbschaftssteuer, der Unternehmenssteuer und der Familienentlastung zu verkraften», sagte Wulff.
FDP will mit Steuersenkungen in NRW-Wahlkampf ziehen
Unterdessen drohte FDP-Vize Andreas Pinkwart am Donnerstag der Union im Streit um Steuersenkungen mit Konsequenzen. «Wenn die Union weiter die Verbindlichkeit der Beschlüsse in Zweifel zieht, werden wir das zum zentralen Thema der Landtagswahl in NRW machen», sagte NRW-FDP-Chef Pinkwart dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Freitagausgabe). «Die NRW-FDP setzt auf die Verbindlichkeit der Vereinbarung», fügte der Wissenschaftsminister und Vize-Ministerpräsident hinzu. Dies gelte für die Entlastung der Bürger um 24 Milliarden Euro - davon sieben Milliarden Euro bereits 2010 - und «ebenso für die Strukturreform mit Stufentarif». (ap/ddp)