Berlin. . Deutsche Politiker fordern eine Verlegung der in der Ukraine geplanten EM-Spiele. Die Polizeigewerkschaften halten nach Medienberichten eine kurzfristige Verlegung der Spiele nach Deutschland für möglich. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach, hält die Forderung für respekt- und instinktlos.
Endspiel in Berlin statt in Kiew? Knapp sechs Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft fordern deutsche Politiker eine Verlegung der in der Ukraine geplanten Spiele. FDP-Generalsekretär Patrick Döring verlangte am Dienstag, schnell zu prüfen, ob alle EM-Spiele in Polen stattfinden könnten. Mehrere Bundestagsabgeordnete brachten Deutschland als Alternative für die Ukraine ins Gespräch. Die Polizeigewerkschaften hielten eine kurzfristige Verlegung der Fußball-EM-Spiele in der Ukraine nach Deutschland für möglich.
Grund sind die Haftbedingungen für die erkrankte ehemalige ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko. Deutschland hat angeboten, sie in Berlin behandeln zu lassen. Döring sagte der "Bild am Sonntag": "Sollte es Alternativen zu den Spielstätten in der Ukraine in Polen geben, muss man diese ernsthaft und schnell überprüfen."
Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post": "Es ist gut, der Ukraine aufzuzeigen, was schlimmstenfalls passieren kann." Das Land solle die Zeit und die Chance nutzen, zu den Standards von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit und damit auf den Weg nach Europa zurückzukehren.
Abgeordnete wollen Spiele in Deutschland
Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion, Erika Steinbach (CDU), sagte der "Bild am Sonntag": "Eine Verlegung der Spiele von der Ukraine nach Polen, Österreich oder Deutschland wäre das richtige politische Signal an die undemokratische Regierung in Kiew."
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Fograscher sagte: "Wegen der Sicherheitslage und den Menschenrechtsverletzungen sollte die UEFA die EM-Spiele aus der Ukraine verlegen. Deutschland bietet sich wegen seiner Nachbarschaft zu Polen als Austragungsort an."
Der Vorsitzende des Bundestagswirtschaftsausschusses, Ernst Hinsken (CSU), forderte die UEFA auf, zu prüfen, ob nicht Polen die EM allein ausrichten könne. "Sollte das nicht möglich sein, dann könnte in Deutschland geprüft werden, inwieweit eine Zusammenarbeit mit Polen möglich ist, um diese EM ohne die Ukraine zu realisieren", sagte Hinsken.
Polizeigewerkschaften halten Deutschland für vorbereitet auf die EM
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sagte der Zeitung: "Bereits vor mehr als einem Jahr haben sich Vertreter von UEFA, DFB und Bundesinnenministerium an einen Tisch gesetzt, um ein Krisen-Szenario zu entwickeln." Das sei bei Großveranstaltungen in politisch instabilen Ländern normal. "Danach ist Deutschland in der Lage, kurzfristig die ukrainischen EM-Spiele zu übernehmen. Die Zeit dafür würde auch jetzt noch ausreichen."
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hält die deutsche Polizei für ausreichend gerüstet, um ein sportliches Großereignis wie die EM kurzfristig abzusichern. "Wir würden das sofort schaffen", sagte er dem Blatt.
Der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki wollte nicht ganz so weit gehen. Er rief alle Fußballfans zum Boykott der Spiele in der Ukraine auf. "Schickt eure Karten zurück oder fahrt erst gar nicht zur EM in die Ukraine", sagte er.
Bach gegen Verlegung von EM-Spielen nach Deutschland
Thomas Bach hat der Forderung nach einer Verlegung der in der Ukraine angesetzten Fußball-EM-Spiele nach Deutschland eine klare Absage erteilt und entsprechende Forderungen kritisiert. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes erklärte am Dienstag in einer Mitteilung: "Die Forderung zeugt von großer internationaler Respekt- und Instinktlosigkeit, weil sie über die Köpfe selbst des Mitgastgeberlandes Polen, aber auch der anderen europäischen Nationen und des Veranstalters UEFA hinweg erhoben wird. Sie ist im übrigen kontraproduktiv, weil sie sich auch gegen den erkennbaren Willen des ukrainischen Volkes richtet und dazu benutzt werden kann, von der politischen Diskussion über die Menschenrechte in der Ukraine abzulenken. Schon aus diesen Gründen ist die Verlegung von Spielen nach Deutschland keine Option."
Künast will es mit einem orangen Schal versuchen
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast appellierte an die deutschen Fußballer, bei der EM ein Zeichen der Solidarität mit Timoschenko zu setzen. "Der orange Schal war ein Zeichen für die demokratischen Ziele der Revolution in der Ukraine. Ein solches Zeichen sollten Funktionäre und Sportler deutlich sichtbar tragen", sagte sie.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler forderte die Bundesregierung auf, die Ukraine wegen schlechter Behandlung Timoschenkos zu verklagen. "Die Bundesregierung sollte Staatenbeschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof einlegen wegen Verstoß gegen Artikel sechs der Europäischen Menschenrechtskonvention", sagte Gauweiler. (dapd)