Berlin. Unions-Fraktionsmanager Peter Altmaier nennt die Piraten eine “Kein-Themen-Partei“ und doch traut er ihnen einiges zu: Er hält die Piraten für besser organisiert als die frühen Grünen und sieht in ihnen eine Bedrohung für die Linkspartei bei der NRW-Wahl.

Peter Altmaier hat eine Affinität zum Internet und ist der Piraten-Versteher vom Dienst. Der Unions-Fraktionsmanager gab mit mehreren Politikern der Piratenpartei Interviews oder ging mit ihnen Kaffee trinken. "Es ist Neugier", sagt Altmaier, und auch mein Job." Er müsse frühe Veränderungen in der politischen Landschaft aufspüren.

Mit Berlin-Korrespondent Miguel Sanchez sprach er über die Piraten und darüber, wie das Internet allmählich die Politik beeinflusst.

Herr Altmaier, wie viele Tweets setzten Sie so ab?

Peter Altmaier: An Anfang waren es sehr viele, manchmal 60 oder 70. Heute kommt es vor, dass ich ein, zwei Tage nichts twittere.

Wie viele Follower haben Sie bei Facebook?

Altmaier: Bei Facebook ganz wenige, bei Twitter knapp 9400.

Schon mal einen "Shitstorm" durchgemacht?

Altmaier: Mehrfach. Als Politiker ist man "Shitstorms" auch aus der realen Welt gewohnt.

Worauf könnten Sie am ehesten verzichten, aufs Internet oder auf Zeitungen?

Altmaier: So lange die realen Medien im Internet präsent sind, ist die Antwort doch klar.

Einer Ihrer meist zitierten Thesen lautet: Das Internet schwappt in die reale Welt der Politik über. Wie?

Altmaier: Es gibt viele Beispiele. Partys, zu denen auf Facebook aufgerufen wird. Und dann erscheinen Tausende Leute. Die Diskussion über Acta, ein Gesetz zum Schutz vor Markenpiraterie, brachte 50.000 Leute auf die Straße und Parlamente dazu, sich damit neu zu befassen. Die Internetsperren gegen Kinderpornographie oder die Vorratsdatenspeicherung kommen nicht voran, weil über das Internet Druck erzeugt wurde. Der Druck ist sehr real.

Wird es die Piratenpartei in zehn Jahren noch geben?

Altmaier: Seit der Saarland-Wahl halte ich das für wahrscheinlich. Sie sind besser organisiert und zu Kampagnen fähig als die Grünen in der Anfangszeit.

Was hat die Neugierde der Union geweckt, der Erfolg?

Altmaier: Erst mal die Menschen, die dahinter stecken. Es kommt nicht oft vor, dass eine Partei aus dem Stand heraus über fünf Prozent kommt. Dazu kommen die pointierten Vorstellungen zur Netzpolitik. Da stimmen wir, etwa bei der inneren Sicherheit, nicht überein. Ich stelle aber fest, dass die Piratenpartei weniger Berührungsängste mit der CDU hat als die frühen Grünen.

Was überwiegt in der Union, Unsicherheit oder Gelassenheit?

Altmaier: Verunsicherung ist da. Niemand kann das Phänomen völlig abschätzen. Gelassen sind wir aber, weil die Trennlinien weniger zwischen uns und den Piraten verlaufen.

Sondern?

Altmaier: Wenn man in den Kategorien von Koalitionen denkt, sind sie ein Problem für SPD und Grüne. Mit ihrem Einzug erschweren sie stabile Mehrheiten. Weil sie den Protest aufsaugen, sind sie gleichzeitig eine Bedrohung für die Linkspartei. Bei der Wahl in NRW traue ich den Piraten mehr zu als den Linken.

Und für die CDU?

Altmaier: Sie sind weder Konkurrent noch Partner. Für eine Regierung scheiden sie generell aus, allein schon, weil sie per se ein geschlossenes Abstimmungsverhalten ablehnen. Sie können keine stabile Regierungsarbeit zusagen. Das würde einen Teil ihres Charmes kosten.

Sind die Piraten eine Ein-Themen-Partei?

Altmaier: Die Piraten sind eine Kein-Themen-Partei. Sie repräsentieren mehr ein Prinzip als Inhalte. Sie stehen für einen neuen Umgang mit dem Internet und sind das Gegenbild zu den etablierten Parteien. Die eigentlichen Inhalte befinden sich im embryonalen Stadium. Möglichweise liegt ihr Erfolg darin begründet, dass sie sich in vielen Fragen zurückhalten.

Sie sind für den Mindestlohn - und nennen keine Hausnummer.

Altmaier: Genau. Sie sind eine Black Box. Jeder denkt sich da was rein.

Was macht das Internet mit der CDU?

Altmaier: Wir haben in den letzten Monaten mehr über das Internet diskutiert als in den zwei Jahren davor. Bisher bestand Teilhabe an der Politik oft nur darin, alle vier Jahre seine Stimme abzugeben. Wer will, kann sich nun permanent am politischen Prozess mit Vorschlägen und Kommentaren beteiligen. In dieser Form ist das erst seit dem Aufkommen der Social Media mit Formaten wie Facebook und Twitter möglich. Alle Parteien überlegen gerade, wie sie sich das nutzbar machen können. Keine Partei kann es sich leisten, die Social Media zu ignorieren.