Essen. Der Straßenwahlkampf der Piraten wird von Essen aus gesteuert. In einem Haus in Steele hat die Partei ihre Zentrale für den Landtagswahlkampf eröffnet. Ermöglicht hat dies ein Spender, der anonym bleiben möchte. Parteimitglied sei er nicht, heißt es bei den Piraten, aber Sympathisant.
Die Piraten schippern Richtung Düsseldorf. Der Straßenwahlkampf beginnt und wird von Essen aus gesteuert. Dafür stehen 2000 Euro Budget bereit. Ihre Laptops wird die technikaffine und vor allem Internet-nutzende Partei wohl kurzfristig zur Seite legen können. Denn zumindest bei den 100 Unterschriften, die ein Direktkandidat jeweils braucht, werden die Rechner nicht helfen. Weil die Namen auf Papier müssen, stehen die Piraten nun zunächst mit dem Info-Stand in Rüttenscheid, wollen dann weitere Stadtteile Essens entern, wo es insgesamt 130 Piraten gibt.
Vierter Pirat fehlt noch
30 Unterschriften stehen auf den Listen der drei Direktkandidaten. Noch fehlt auch der vierte Freibeuter an Bord, der für den Wahlkreis 65, zu dem etwa Borbeck und Altenessen zählen. Dass der sich in der Runde im Unperfekthaus noch nicht vorstellen kann, liegt nicht daran, dass sich niemand gefunden hätte, sondern allein daran, dass keine gültige Aufstellungsversammlung möglich gewesen sei, erklären die Piraten.
Ihre NRW-Wahlkampf-Zentrale befindet sich jetzt in Steele. Es ist eine Spende. Von wem, das wissen nur wenige Piraten, die es aber nicht verraten dürfen, weil der Spender anonym bleiben wolle, sagt Ines Schorsch. Nur so viel: Der Spender sei kein Mitglied, wolle das nicht werden, sie aber unterstützen. Und das in Form von zwei Zimmern im Dachgeschoss samt Terrasse, die sie bis eine Woche nach der Wahl nutzen können.
Jedes Thema kapern
Ins Unperfekthaus sind auch der Landesvorsitzende Michele Marsching und Spitzenkandidat Joachim Paul gekommen und kündigen an, jedes Thema kapern zu wollen – ohne ideologische Schranken (Marsching). Paul beschreibt die Arbeitsweise seiner Partei mitunter als spielerisch und will sich so von den Grünen abgrenzen, die sich zur moralischen Instanz mit erhobenem Finger entwickelt hätten. Die Piraten hätten ein „kulturtechnisches Netzwerk, das haben wir den Grünen voraus“.
Die Essener Direktkandidaten: Stefan Zemlicka (47, Wahlkreis 66) ist IT-Fachmann mit dem politisch-piratigen Schwerpunkt Open Data. Heißt: Der Steeler will sich dafür einsetzen, Daten frei verfügbar und nutzbar zu machen. Transparenz solle Bürgern helfen, politische Prozesse begreifbar zu machen. Für die Liste habe er eigentlich nicht genug Themen, da eignen sich andere besser, sagt er. Seine Chancen in den Landtag zu ziehen, bewerte er realistisch, also schlecht, so wie die anderen. Er wolle aber den Essener Piraten ein Gesicht geben und etwas bewegen. Zeit für eine Ratssitzung habe er wegen seiner bis zu 60-Stunden-Woche noch nicht gehabt.
Veröffentlichung aller städtischen Zahlen
Open Data ist auch das Stichwort für Direktkandidaten Matthias Bock (Wahlkreis 67). Der 30-jährige Holsterhauser arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni. Politisch aktiv sei er zuvor nicht gewesen, jetzt habe er sich die Kommunalfinanzen auf seine Fahne geschrieben. „Ich kämpfe für die Veröffentlichung aller städtischen Zahlen.“ Viele Entscheidungen würden mit der Finanzlage begründet, allein wenn der Bürger ein Auge darauf werfen wolle, stehe er vor verschlossenen Türen.
Weiterer Kandidat, gleiches Stichwort: Transparenz fordert auch Tim Kowalewski (Wahlkreis 68). Er sei für den Messe-Ausbau: „Es liegt uns am Herzen, die Kosten offen zu legen und nicht wie beim Stadion zu verheimlichen und dann Geld hinterher zu werfen.“ Der selbstständige Programmierer aus Rüttenscheid kümmert sich neben dem freien Zugang zu Daten ums Rathaus, wo er sich zurzeit im Unterausschuss Finanzen einarbeite und erfahre, wie Ausschüsse überhaupt funktionieren: „Ich sehe mich bei der nächsten Kommunalwahl im Stadtrat“, sagt der Pirat, der von 2005 bis 2010 Liberaler war und nach der Bundestagswahl enttäuscht aus der FDP austrat: Finanzielle Erleichterungen für Hotels und ausbleibende Vereinfachung des Steuersystems hätten ihn frustriert: Ohne die Piraten, wäre er wohl nicht mehr in der Politik.