Essen/Düsseldorf. .
Für Matthias Bock, Landtagskandidat der Piratenpartei in Essen, war es eine reichlich anachronistische Aktion: Höchst persönlich war ein Parteimitglied am Montag bei der Landeswahlleitung im Innenministerium in Düsseldorf erschienen, um dort etwas zu tun, was Piraten gewöhnlich online erledigen. Er hatte Formulare abgeholt, nicht etwa heruntergeladen. Die insgesamt 5000 Blatt, laut Bock "mehrere Pakete Papier", brachte der Parteikollege dann nach Essen, von wo aus die Zettel rasch unter Piraten im Ruhrgebiet weiterverteilt wurden. Ebenfalls absolut offline.
Es ging um die "Anlage 14b" zu Paragraph 28 der Landeswahlordnung, also um das Formblatt, mit dem "junge Parteien" - und dazu zählen alle, die bisher nicht im Landtag NRW oder im Bundestag vertreten sind - jetzt Unterstützerunterschriften sammeln müssen. Damit sie und ihre Kandidaten für die Landtagswahl am 13. Mai zugelassen werden. Die Satire-Partei "Die Partei" hat das Dokument zum Herunterladen auf ihre Website gestellt. "Das könnte rechtlich problematisch sein", glaubt man hingegen bei den Piraten.
Ostern macht die Fristen noch enger
Gut sechs Wochen sind es noch bis zum Wahltermin. Da geht es nicht alleine um den Wahlkampf, sondern auch um Formalitäten für den Weg auf die Wahlzettel. Gerade kleine Parteien sind gezwungen, sich zu sputen. Die Fristen zur Kandidatenaufstellung wurden nach der Selbstauflösung des Landtags am 14. März um bis zu zwei Wochen im Vergleich zu einer normalen Wahlperiode verkürzt. Das heißt:
- Am 10. April, 18 Uhr, endet die Frist für alle Wahlvorschläge - gut zwei Wochen eher als üblich
- Bis zum 14. April müssen Kreis- und Landeswahlleitung verkünden, wer zur Wahl zugelassen ist - zehn Tage früher als sonst
- Bis 17. April kann gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt werden - eine Woche weniger
- Bis 20. April muss über Beschwerden entschieden werden
- Spätestens am 23. April ist öffentlich bekannt gemacht, welche Parteien, Gruppierungen und Kandidaten zur Wahl zugelassen sind
Neben den nötigen Kandidaten braucht jede Kleinpartei landesweit 1000 Unterstützer-Unterschriften, um an der Landtagswahl teilnehmen zu können. Wichtig dabei: Unterstützer müssen mindestens 18 Jahre alt sein, hierzulande wahlberechtigt und dürfen nur auf einer Liste unterschreiben. Wer, wie Matthias Bock, als Direktkandidat antreten möchte, muss zudem 100 Unterschriften extra beim örtlichen Wahlamt abgeben - alles bis zum 10. April. "Eigentlich hört die Frist dazu schon am 5. April auf", sagt Bock - wegen Ostern. Damit dem Amt genug Zeit bleibt, die Unterschriften zu prüfen, wollen die Essener Piraten ihre Unterstützerzettel spätestens am Tag vor Karfreitag zur Prüfung einreichen. Bock will "auf Nummer sicher gehen".
100 Unterschriften klingt nicht viel - aber für den 30-jährigen Essener Piratenpolitiker bringen sie einen ungewohnten Aufwand mit. Denn auch dabei gilt das Auge-in-Auge-Prinzip: "Ich muss jeden Unterstützer selbst besuchen", erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni Duisburg-Essen. Mail? Fax-Abruf? Fehlanzeige: Gültig sind nur Unterschriften auf Original-Formularen, die Bock beim örtlichen Wahlamt ausgehändigt wurden. "Ein Drittel habe ich schon zusammen" sagt er - er hält den Aufwand "für übertrieben".
Stimmzettel können frühestens ab dem 17. April in Druck gehen
Insgesamt sechs eng beschriebene Seiten umfasst der vom NRW-Innenministerium gesetzte Zeitplan zur Landtagswahl am 13. Mai. Er klärt auch, dass die Stimmzettel frühestens am 17. April in Druck gehen werden - also 26 Tage vor der Wahl. Erst ab dem 23. April werden die Briefwahlunterlagen verteilt. Vom 23. bis 27. April liegt der Fokus auf den Wählerverzeichnissen: Sind Adressen und Namen korrekt? Ab 28. April gibt's keine Einspruchmöglichkeit mehr.
Neben einigen Detail-Vorschriften beginnt dann ab dem 7. Mai organisatorisch die heiße Phase der Wahl: die Ausstattung der Wahlräume (möglichst keine Gaststätten und kamera-überwachte Orte) wird organisiert, Wahlhelfer werden belehrt. Für Wähler gilt: bis spätestens 11. Mai, 18 Uhr, kann man noch Briefwahl beantragen. Natürlich ist auch der Wahltag am 13. Mai komplett durchorganisiert: um 8 Uhr öffnen die Wahllokale; wer plötzlich erkrankt, kann dort dann bis spätestens 15 Uhr noch Briefwahl beantragen. Um 18 Uhr ist die Stimmabgabe beendet, die Auszählung beginnt. Am Tag nach der Wahl, dem 14. Mai, sieht der Terminplan insgesamt 13 Tagesordnungspunkte vor: Vom "Übersenden der Wahlniederschriften" an die Kreiswahlleitung bis zur "Unterrichtung des Landtagspräsidenten" über die Landtagsmitglieder der Landeslisten.
Zwei Stimmen auf dem Wahlzettel
Am 13. Mai wird in NRW ein neuer Landtag gewählt. Wahlberechtigt ist, wer mindestens 18 Jahre alt ist, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und seit wenigstens 16 Tagen in NRW. Jeder Wähler hat zwei Stimmen - die erste für die Kandidaten im Wahlkreis, die zweite für eine Partei. Der Landtag besteht aus mindestens 181 Abgeordneten. Davon werden 128 direkt in den Wahlkreisen gewählt. Mindestens 53 weitere ziehen über die Landesreservelisten der Parteien in den Landtag ein. Parteien müssen mindestens 5 Prozent der Stimmen erhalten, um im Landtag vertreten zu sein. Kandidatien, die in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen haben, sind direkt in den Landtag gewählt. Wenn mehr direkt gewählte Kandidatinnen und Kandidaten einer Partei in den Landtag einziehen, als der Partei nach ihrem Stimmenanteil Sitze zustehen, wird der Landtag entsprechend vergrößert. Alle Parteien bekommen dann mehr Sitze, damit das Verhältnis wieder stimmt.
Offiziell beendet ist die Wahl erst - wenn es denn diesmal mit der Wahlperiode klappt - in fünf Jahren. 60 Tage vor der dann folgenden Landtagswahl werden die amtlichen Zeiger wieder auf Null gestellt: Dann sind die alten Wahlunterlagen zu vernichten. Die von der Piratenpartei und den anderen jetzt zu sammelnden Unterstützerunterschriften dürfen schon etwas früher in die Schredder: Frühestens Mitte November - sechs Monate nach dem Wahltermin. Sofern sie nicht Bestandteil eines Gerichtsverfahrens sind.