Berlin. Die Liberalen und die politischen Senkrechtstarter streiten um ihr Demokratieverständnis: FDP-Generalsekretär Döring warnt vor falschen Rückschlüssen auf politische Mehrheiten, wenn nur die Stimmen im Netz wahrgenommen werden. Die Piraten sehen darin die Arroganz der Etablierten.
Die Spitze der Piratenpartei hat FDP-Generalsekretär Patrick Döring wegen dessen Äußerungen über Debatten im Internet heftig kritisiert. Er habe selten "einen derartigen rhetorischen Fehlgriff" in der politischen Diskussion um direkte Bürgerbeteiligung erlebt, sagte Bundesvize Bernd Schlömer am Montag. Die Äußerung passe "zum verblassten Zeitgeist der FDP, da sie offensichtlich, statt auf Bürgerbeteiligung, auf einsame Entscheidungen in einem Elfenbeinturm setzt".
Kein Verständnis für moderne Gesellschaft
Döring hatte am Sonntagabend nach der Landtagswahl im Saarland im Zusammenhang mit den Piraten über ein von der "Tyrannei der Masse" geprägtes Politikbild gesprochen. Bei anonymen Diskussionen im Internet entstehe oft ein vollkommen falscher Eindruck von Mehrheitsverhältnissen, führte Döring aus. Motto: Wer twittert, hat immer recht. Als Beispiel nannte er die Debatte um Bahnhofs-Neubau für das Projekt "Stuttgart 21". In der virtuellen Welt sei der Eindruck entstanden, alle seien dagegen. In der realen Welt sei dem Projekt dann in einer Volksabstimmung zugestimmt worden, sagte der FDP-Generalsekretär.
Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, warf Döring daraufhin "ein bemerkenswertes Unverständnis für die moderne Gesellschaft" vor. Menschen könnten und wollten neue Medien nutzen, um mitzudiskutieren. "Dafür brauchen sie eine offenere Politik", sagte Nerz.
Paradox zwischen eingeforderter Transparenz und gelebter Anonymität
Döring verteidigte am Montag seine umstrittene Äußerung. Es sei "eine Verkehrung liberalen Denkens", wenn Piraten in der "Tyrannei der Mehrheit" vor allem einen Ausdruck von Demokratie sähen. "Nur dort, wo auch Minderheiten Rechte haben und es einen offenen, angstfreien Diskurs gibt, kann Demokratie leben."
Es grenze in seinen Augen "an Absurdität, dass die Piraten maximale Transparenz einfordern, gleichzeitig aber für sich und ihresgleichen den Schutz der Anonymität beanspruchen", sagte Döring. Bisweilen werde aus dieser Anonymität heraus extrem aggressiv agiert. "Dadurch wird ein Klima der Diskussion geschaffen, das einer demokratischen Debatte gerade nicht förderlich ist."
Die Piratenpartei hatte bei der Wahl im Saarland mit 7,4 Prozent den Einzug in den Landtag geschafft und sind damit nach Berlin künftig in einem zweiten Landesparlament vertreten. Die FDP flog bei der Wahl hingegen mit einem Ergebnis von 1,2 Prozent aus dem Landtag. (dapd)