Moskau. . Das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Russland überrascht niemanden. Wladimir Putin zieht mit großer Mehrheit in den Kreml ein. Das Interesse vieler Beobachter richtet sich jetzt mehr auf dieManipulationen, die im Laufe des Wahlsonntags bekannt wurden.

Die Atmosphäre im Wahllokal 1861 in der Moskauer Vorstadt Odinzowo ist nicht gerade pressefreundlich. Auf die Frage an den Wahlbeobachter der LDPR, ob die Leute aktiver als bei den Duma-Wahlen im Dezember abstimmten, verlangt der den Presseausweis: „Wohlmöglich sind Sie ja ein deutscher Spion.“ Ein Mitglied der Wahlkommission ruft einen jungen Polizisten hinzu. Der erklärt, der Korrespondentenausweis des russischen Außenministeriums reiche nicht aus: „Sie brauchen eine Akkreditierung der Zentralen Wahlkommission.“ Er habe seine Befehle, gestattet dann doch, den Wahlbeobachtern weitere Frage zu stellen. „Aber Sie dürfen nicht über die Wahlen und ihr Ergebnis berichten.“

Das Ergebnis der Wahlen überrascht nicht: Nach einer ersten Hochrechnung der Zentralen Wahlkommission wird Wladimir Putin die Präsidentschaftswahlen in Russland mit 63,4 Prozent im ersten Wahlgang glatt gewinnen. Das berichtet die Wahlkommission, der zufolge bisher 30 Prozent der Stimmen ausgezählt wurden. Kommunistenführer Gennadi Sjuganow erhält danach 17,2 Prozent, der Nationalpopulist Wladimir Schirinwoski 7,2 Prozent, der liberale Multimilliardär Michail Prochorow 7,3, Sergej Mironow, Chef der Partei „Gerechtes Russland“ 3,7 Prozent. Putin erklärte sich am Abend zum Wahlsieger.

Allerdings richtet sich das Interesse vieler Beobachter schon jetzt mehr auf die Manipulationen, die im Laufe des Sonntags bekannt wurden, als auf Wladimir Putins Erfolg. Bis 20 Uhr Moskauer Zeit, als die Wahllokale außer im Gebiet Kalingrad überall geschlossen wurde, meldete das Zentrale Wahlkomitee 86 Verstöße. Dagegen fixierte die Wahlkontrollainitiative „Golos“ etwa 2700 Verstöße, die „Liga der Wähler 3000, das Projekt „Nabljudenie 3800.

Probleme für Wahlbeobachter

Laut „Golos“ wurden zwei Korrespondenten der Zeitung „Graschdanskij Golos“ sowie zwei Wahlbeobachter des Kandidaten Prochorows vor dem Rathaus der Moskauer Vorstadt Schelesnogorodsk vor dem Ratshaus von jungen Männern verprügelt. Die Opfer wollten im Territorialen Wahlkomitee Beschwerde dagegen einlegen, dass sie rechtswidrig aus einem Wahllokal verwiesen worden waren.

Das Internetfernsehen tvrain.ru zeigte Bilder, wie Polizisten einem Wahlbeobachter in Petersburg den Zutritt zum Wahllokal verweigern. Außerdem Aufnahmen einer Überwachungskamera in Dagestan, wo ein Mann dutzende Wahlzettel in eine elektronische Urne schiebt. In Omsk entdeckte eine Wählerin in der Wahlliste die Namen ihrer im vergangenen Jahr umgekommenen Verwandten. Sie hatten bereits abgestimmt.

Auf dem Moskauer Bolotnaja-Platz sichteten Journalisten etwa hundert Autobusse aus verschiedenen russischen Regionen. Wie Beobachter der Jabloko-Partei berichten, wurden allein in den ersten 3 Stunden der Stimmababgabe in Moskau 27 Wählergruppen organisiert zu Wahllokalen transportiert. Nach Ansicht von Experten klappern oft Autobusse mit solchen Gruppen Wahllokale ab, um mehrfach zu wählen.

Proteste und Jubel

In Moskau besetzte die Polizei einen oppositionellen Stab im „Squat Cafe“, wo Aktivisten unter Führung des Duma-Abgeordneten Ilja Ponomarjows eine alternative Stimmauszählung durchführen wollten. Regimekritiker vermuten, dass in der Nacht auf Montag noch zahlreiche Wahlprotokolle von den Chefs der Wahlkommissionen gefälscht werden.

Valentin Gorbunow, Chef des Moskauer Wahlkomitees erklärte die Berichte über Verstöße im Stadtgebiet für Gerichte. „Ich habe das Gefühl, das jemand dafür Geld zahlt“, sagte er der Agentur Interfax. Der Filmregisseur Stanislaw Goworuchin bezeichnete die Wahlen laut Radio Echo Moskwy als die „fairsten in der Geschichte Russlands“.

Auf mehreren zentralen Plätzen in Moskau feierten Mitglieder kremlnaher Jugendbewegungen Putins Sieg. Die Opposition plant am Montagabend eine Protestkundgebung im Stadtzentrum.