Moskau. Mehrfache Stimmabgabe, manipulierte Wahlzettel - bei der Präsidentschaftswahl gibt es bereits hunderte Hinweise auf Fälschung. Offizielle Stellen dementieren eifrig - alles laufe ordentlich. Es wird erwartet, dass Wladimir Putin das Amt zurückgewinnt - 60 % der Stimmen trauen Beobachter ihm zu.

Begleitet von einem beispiellosen Einsatz zehntausender Bürgerbeobachter haben die Russen am Sonntag über die Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml abgestimmt. Die Präsidentschaftswahl wurde von zahlreichen Betrugsvorwürfen überschattet. Neben Mehrfach-Stimmabgaben und manipulierten Wahlzetteln monierten die Beobachter auch das nur zum Schein transparente System der Video-Überwachung in den Wahllokalen.

Von Wladiwostok im Osten bis zur westlichen Exklave Kaliningrad waren 109 Millionen Wähler aufgerufen, den Nachfolger von Staatschef Dmitri Medwedew zu bestimmen. Wegen der Größe des Landes und der zahlreichen Zeitzonen erstreckte sich der Urnengang über 21 Stunden. Dabei stand außer Zweifel, dass Putin nach vier Jahren vom Posten des Regierungschef ins Präsidentenamt zurückwechselt. Ungewissheit herrschte aber darüber, wie deutlich er die erste Runde gewinnen würde.

Experten sagen Putin 60 % der Stimmen voraus

Gefährlich werden dürfte dem 59-Jährigen keiner seiner vier Gegner. Umfragen zufolge könnte Putin mit rund 60 Prozent der Stimmen gewinnen, weit vor seinem stärksten Konkurrenten, dem Kommunisten Gennadi Sjuganow, der demnach bei gerade einmal 15 Prozent lag. Weiter abgeschlagen waren der Milliardär Michail Prochorow, der Nationalist Wladimir Schirinowski und der frühere Vorsitzende des Föderationsrates, Sergej Mironow.

Die Abstimmung wurde landesweit von 27.000 Beobachtern verfolgt, die meisten davon Freiwillige, wie die Internetseite control2012.ru meldete, die die Bemühungen der Bürgerbeobachter koordinierte. Sie führte bis zum Nachmittag mehr als 3300 Verstöße gegen Wahlgesetze auf. Mehr als 2000 Beschwerden gingen auch bei der unabhängigen Wahlbeobachtungsorganisation Golos ein.

Auch die Opposition, die ebenfalls Beobachter stellte, vermutete Wahlbetrug. Die Mitte-Links-Partei Jabloko teilte mit, dass mehrere Wähler in Moskau in zwei Wahllokalen ihre Stimme abgegeben hätten. In Wladiwostok hätten Stimmberechtigte bei ihrer Ankunft im Wahllokal dagegen feststellen müssen, dass ihre Wahlzettel bereits ausgefüllt abgegeben worden seien. In mehreren Orten seien Bündel von Stimmzettel in die Urnen geworfen worden.

Offizielle Dementis und natürlich keine Anzeichen für Wahlbetrug

Die Kommunistische Partei beklagte ebenfalls eine Reihe von Betrugsfällen. In Jekaterinburg seien die Insassen eines Kleinbusses festgenommen worden, die von Wahllokal zu Wahllokal gefahren seien, um mehrfach ihre Stimme abzugeben. Auch in Moskau sollen hunderte Busse mit Mehrfachwählern unterwegs gewesen sein. Dies sei zu erwarten gewesen, aber nicht in diesem Ausmaß, sagte der Blogger Alexej Nawalny, der einer der Anführer der Protestbewegung gegen Putin ist.

Der Leiter der Wahlkommission wies die Vorwürfe zurück. Die Beobachter hätten sich in den Wahllokalen, die er besucht habe, "nervös" verhalten, während die Wahlleiter "perfekt arbeiteten", sagte Wladimir Tschurow.

Opposition will nach der Wahl demonstrieren

Die Behörden hatten angesichts von Betrugsvorwürfen nach der Parlamentswahl im Dezember 90.000 Wahllokale mit jeweils zwei Überwachungskameras ausgestattet, um mehr Transparenz zu demonstrieren. Allerdings wurde der Wahlverlauf teilweise nur verzögert übertragen. Wahlbeobachter monierten, dass die Kameras zu weit weg von den Urnen positioniert wurden und die Aufnahmen vor Gericht ohnehin nicht verwertbar seien.

Die Gegner Putins wollen am Montagabend mit einer Demonstration auf dem zentralen Puschkin-Platz gegen seine absehbare erneute Präsidentschaft protestieren. Für den Ämtertausch wollten noch am Sonntag 20.000 Mitglieder der Kreml-Jugend Naschi nahe des Kremls auf die Straße gehen.

Die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos veröffentlichte gemeinsam mit der russischen Ausgabe des US-Magazins "Forbes" im Internet eine interaktive Karte mit Verdachtsfällen. Demnach wurden bis 9.30 MEZ bereits hunderte Verstöße gegen Wahlgesetze gemeldet.(afp)