Moskau. . Am Sonntag wählt Russland den Präsidenten. Deshalb wird in Tschuwaschiens Kindergärten schon vor einer feindlichen Revolution gewarnt. Mit viel Druck bereitet die Staatsmacht den Sieg Wladimir Putins vor.

„Das Wichtigste im Leben ist die Gesundheit der Kinder“, sagt Tschulpan Chamatowa. „Und alle Versprechungen, die Wladimir Putin der Stiftung ,Schenke Leben!’ gemacht hat, sind erfüllt worden.“ Deshalb werde sie für ihn stimmen.

Außer Chamatowa, Schauspielerin und Mitbegründerin der Kinderkrebsstiftung „Schenke Leben!“, machen Dutzende Fußballer, Schriftsteller und Popstars TV-Wahlreklame für Wladimir Putin. Aber Chamatowas Appell wurde zum Skandal. Eine Mitarbeiterin ihrer Krebsstiftung sagte dem Internetportal gazeta.ru, Tschulpan sei gezwungen worden, für Putin zu agitieren. „Sie drohten, anderenfalls würden uns die Finanzen gekappt.“ Putins Pressesprecher nannte solche Vorwürfe einen „Hexentanz des Internets“. Chamatowa selbst erklärte russischen Journalisten hinterher, beide Seiten mögen bei ihrer Sichtweise bleiben.

Ganze Belegschaften abkommandiert

Dementis klingen anders. Nicht nur Prominente, ganze Fabrikbelegschaften wurden in diesem Wahlkampf genötigt, an Massendemonstrationen für Putin teilzunehmen. Obwohl der Wahlkampf vor allem im Fernsehen stattfindet. „Es gibt sehr wenig Straßenwahlkampf mit Plakaten und Flugblättern“, sagt Alexander Kynew, Chefanalytiker der Wahlkontrollinitiative „Golos“, unserer Zeitung. „Putins Wahlkampf ist eine Fernsehkampagne mit mittelbarer Werbung durch Nachrichten und Berichten über seine Tätigkeit als Regierungschef.“

Das Staatsfernsehen feiert den Premierminister als Wohltäter. Etwa beim freundlichen Plausch mit den kleinen Patienten eines neuen Krankenhauses in Moskau. „Wladimir Putin überwacht das Projekt persönlich“, verkündet der Sprecher. Mütter mit Tränen in den Augen danken Putin. Als würde das Krankenhaus nicht aus Steuermitteln, sondern von ihm privat finanziert.

Botschaften für das Provinzpublikum

Die staatlich kontrollierten Kanäle zeigen immer neue Dokumentarfilme über Putins Verdienste. Das fast völlig monopolisierte Fernsehen ist sein Sprachrohr. Es zielt vor allem auf das Provinzpublikum. „Diese Propaganda funktioniert wie zu Sowjetzeiten“, sagt der Schriftsteller Michail Weller. „Wenn die Zuschauer wieder und wieder hören, dass Russland ohne Putin zusammenbricht, kriegen sie irgendwann Angst um ihn.“

Die Staatsmacht erweckt auch andere Ängste. „Golos“ hat Hunderte Fälle gesammelt, wo vor allem Provinzrussen unter Druck gesetzt werden. So zwang laut „Golos“ der Bürgermeister von Maikop mehrere Behörden, undatierte Rücktrittsgesuche zu schreiben: Für den Fall, dass am Wahltag in der Stadt zu wenig Wähler für Putin stimmen. In der Republik Tschuwaschien organisierten die Behörden Versammlungen in Kindergärten und Schulen, um vor einer Revolution zu warnen, die von US-Experten vorbereitet werde. Und die Leiterin einer Wahlkommission in Samara berichtet in einem Video, man habe sie und ihre Kollegen wie folgt instruiert: „Putin muss im ersten Wahlgang mit mindestens 70 Prozent der Stimmen gewinnen.“ Kynew und andere Experten glauben, die Staatsmacht wolle wie bei vorherigen Wahlen den Sieg vor allem durch gefälschte Wahlprotokolle sicherstellen.

Die Opposition – eine Mörderbande

Währenddessen sollen im Internet schon Videos kursieren, die Wahlfälschungen am 4. März zeigen. Wladimir Tschurow, Chef der Zentralen Wahlkommission, beschuldigt die Opposition, sie habe diese Videos im Voraus gedreht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Und Wladimir Putin befürchtet gar, seine Widersacher seien auf Mord aus, um die Lage zu destabilisieren: „Sie suchen ein sakrales Opfer, jemanden der prominent ist. Sie legen ihn um und machen dann den Staat dafür verantwortlich.“