Essen. . Nordrhein-Westfalen hinkt in punkto Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürger im Bundesvergleich hinterher. Das hat der Verein “Mehr Demokratie“ am Donnerstag bilanziert. Demnach sind Volksabstimmungen auf lokaler Ebene üblicher geworden, auf Landesebene aber ist NRW noch 'terra inkognita'.

Sauerland ist noch nicht überall. Die Abwahl des Duisburger Oberbürgermeisters war spektakulär. Aber Volksabstimmungen wie diese sind in Nordrhein-Westfalen allenfalls auf lokaler Ebene üblicher geworden. Auf Landsebene, so stellt die Organisation „Mehr Demokratie“ in einer Bilanz fest, hinkt das bevölkerungsreichste Bundesland deutlich hinterher.

In den 16 Bundesländern laufen derzeit 33 Verfahren. In NRW: Null. „In Nordrhein-Westfalen“, beklagt der Verein, „war in 61 Jahren nur ein einziges Volksbegehren erfolgreich“. Das war das Referendum über die Landesverfassung 1950. Tatsächlich gibt es ein merkwürdiges Gefälle. Nord-und Nordostdeutsche werden – wie auch die Bayern – eher zum Votum gebeten als die im geografisch mittleren Streifen der Republik.

Aktionsbündnisse sind der Motor für Plebiszite

Dabei leben wir in einem Jahrzehnt, in dem sich der Trend zur direkten Demokratie deutlich verstärken wird. Das zeigt die Kurve der vergangenen 30 Jahre: Mit bundesweit zwölf Volksbegehren zwischen 1980 und 1989 begann es. Zwischen 1990 und 2000 waren es schon 94.116 Mal wurde die Bevölkerung von 2000 bis 2009 zur Urne gerufen. Und der Start ins neue Jahrzehnt fällt aus der Sicht der Befürworter der direkten Demokratie nicht schlecht aus. Schon 31 Mal kam es in den vergangenen zwei Jahren dazu.

Meist schieben Aktionsbündnisse die Volksbegehren und späteren Volksentscheide an, nicht die politischen Parteien. Und es gibt eine Hitliste der Themen: 27 Prozent der Abstimmungen drehen sich um Kultur- und Bildungsprobleme. Platz 2: Demokratie, Staatsorganisation und Innenpolitik. Wirtschaft, Verkehr, Umweltschutz liegen - noch - auf den hinteren Plätzen. Schon im vergangenen Jahr aber sah der Themenmix bei drei großen Volksentscheiden etwas anders aus. Spektakulär: Die Stuttgarter Entscheidung über den neuen Bahnhof "Stuttgart 21", die Aufforderung durch die Berliner an den Senat, die Verträge zur Privatisierung der Wasserversorgung offenzulegen und das Ja der Hessen zur Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung. Noch 2012 werden die Hamburger darüber abstimmen, ob die Energienetze reprivatisiert werden.

"Mehr Demokratie" lobt NRW für Plebiszit-Gesetz

Auch die Staatsfinanzen rücken mit in den Blickpunkt. „Der Bürger ist der bessere Haushälter“, stellt „Mehr Demokratie“ gerade zum Hessen-Entscheid fest. Denn allgemein beklagen die Abstimmungsbefürworter, dass eine direkte Bürgerbeteiligung bei Finanz- und Haushaltsthemen zu oft ausgeschlossen ist. Die Politik traue der Bevölkerung nichts zu. „Dabei geht es um des Bürgers eigenes Geld. Er trägt die Steuerlast“.

Trotz aller Kritik an der Praxis in NRW: „Mehr Demokratie“ lobt das Land neuerdings auch wegen der Bewegung, die in das Thema gekommen ist. Denn, glaubt der Verein, das Bundesland sei jetzt das mit den bürgerfreundlichsten Plebiszit-Gesetzen. Hier wurde die freie Unterschriftensammlung zugelassen (was bisher nur in den Rathäusern möglich war) und die Eintragungsfrist von acht Wochen auf ein Jahr verlängert.