Berlin. Eigentlich hatte Günther Jauch aus seiner gestrigen Talkrunde eine kleine Bundespräsidenten-Castingshow machen wollen. Glücklicherweise ist ihm die Realität mit der Nominierung Joachim Gaucks zum neuen Staatsoberhaupt zuvorgekommen. Denn die Vorschläge, die Jauchs Gäste mitgebrachten hatten, waren teilweise mehr als utopisch.

Joachim Gauck ist also im Recall. Das war nicht besonders
überraschend, obwohl die Entscheidungsfindung doch seifenopernartige Züge
hatte. Vom Zusammenbruch der Koalition war zwischendurch die Rede, bis
schließlich Angela Merkel mit verkniffener Miene ihren gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten
vorstellte. Improvisieren, hieß es also bei Günther Jauch. Ursprünglich lautete
der Titel der Sendung am Sonntag: „Deutschland sucht den Super-Präsidenten
--  Wen zaubert Merkel aus dem Hut?“ Also
wurde seine Talkrunde eine nette Mischung aus den Erinnerungen einer charmanten
91-Jährigen, philosophischen Erklärungsversuchen eines ehemaligen
Tagesthemen-Moderators und ein bisschen „Wulff-Bashing“, wie MdB Wolfgang
Bosbach (CDU) es formulierte.

Einstimmig mit
Gauck-Nominierung zufrieden

Zufrieden mit der Entscheidung? Auf diese Frage Günther Jauchs
antworteten alle Gäste mit einem mehr oder weniger überzeugenden „Ja“.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erinnerte daran, dass Gauck bereits vor
zwei Jahren der Favorit ihrer Partei gewesen sei. Ein bisschen Schadenfreude
über Angela Merkels Zugeständnis der FDP und der SPD gegenüber, konnte Nahles
allerdings nicht verbergen. „Merkel hat eine große Niederlage erlitten“, sie
sei „umgefallen“. Aber auch CDU-Mitglied Bosbach fand „keinen Grund gegen
Gauck“. Ulrich Wickert, ehemaliger Tagesthemen-Moderator, lobte Merkels
Zugeständnis sogar als „starken Moment“: „Sie ist über ihren Schatten
gesprungen.“

Das Verhalten der Kanzlerin kann man freilich beurteilen,
wie man will. Es ändert nichts daran, dass Joachim Gauck nun der stärkste
Anwärter auf den Posten des Bundespräsidenten ist. Die Kandidatensuche, die
zunächst noch schwieriger zu sein schien als einen Nachfolger für Thomas
Gottschalk bei „Wetten, dass…?“ zu finden, hat sich damit schnell erledigt.
Dabei hatten sich die Talkgäste doch so gute Alternativen für den
Stasinachlass-Verwalter ausgedacht. Ulrich Wickert schlug den Historiker
Heinrich August Winkler vor.

Ulrich Wickert tummelte sich an diesem Abend aber
in zu vielen philosophischen Theorien, als dass irgendeiner der Anwesenden
Winkler als ernstgemeinten Vorschlag akzeptieren konnte.  „Wir hätten endlich auch mal eine Frau wählen
können“, fand hingegen Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geissler. Ursula von der
Leyen etwa oder Margot Käßmann. Damit traf Geissler bei seiner Sitznachbarin
genau ins Schwarze. Hildegard Hamm-Brücher hatte 1994 ebenfalls für dieses Amt
kandidiert. Seitdem setzt sie sich dafür ein, dass bei der Wahl des
Bundespräsidenten die Bürger mehr Mitsprache erhalten.

Ironischer Vergleich
zwischen Gauck und Wulff

Die resolute Politikerin war jedenfalls der einzige
Lichtblick in dieser ihres Gesprächsthemas beraubten Diskussionsrunde. Ein
bisschen beißende Ironie schwang mit, als Hamm-Brücher Joachim Gauck mit seinem
Vorgänger Christian Wulff verglich. Gauck bringe wenigstens keinen
zweifelhaften Pressesprecher mit in sein neues Amt und er habe auch keine
Geldnöte.

Wulff, so ihr Fazit, „war einfach nicht glaubwürdig.“ Und so wendete
sich das Interesse von Jauchs Gästen rasch wieder den Verfehlungen des
Ex-Staatsoberhauptes zu, von Wolfgang Bosbach neudeutsch als „Wulff-Bashing“
bezeichnet. „Ich gehöre als alter Fußballer nicht zu denen, die noch
nachtreten, wenn einer am Boden liegt“, stellte Bosbach fest.

Große Hoffnungen bei Günther-Jauch-Talk in Joachim Gauck

In Joachim Gauck setzten die Talkgäste jedenfalls große
Hoffnungen. Er solle  „die Kluft zwischen
der Politik und den Bürgern schließen“, wünschte sich Andrea Nahles. Sprich: Er
muss das kitten, was unaufrichtige Politiker wie Christian Wulff oder Karl
Theodor zu Guttenberg zerstört haben, nämlich das Vertrauen der Bürger zu den
von ihnen gewählten Politikern. Keine leichte Aufgabe.