Berlin. Die Kanzlerin riskierte im Gezerre um den passenden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten einen nicht mehr kittenden Bruch mit den Liberalen. Fast zu spät gab sie sich einen Ruck und unterstützte Gaucks Kandidatur.
2010 setzte sie die zweitbeste Lösung durch. Nun gab sich Kanzlerin Angela Merkel doch einen Ruck und machte Joachim Gauck zu ihrer ersten Wahl. Es ist der Wille der Mehrheit. Und die Kanzlerin hat gerade noch die Kurve gekriegt. In der Präsidentenfrage agierte sie schon zwei Mal glücklos. Horst Köhler hatte schwache Nerven und Christian Wulff zweifelhafte Nehmerqualitäten. Auch dieses Wochenende ließ sich sonderbar an. Gespielt wurde „Reise nach Jerusalem“. Ein Kandidat nach dem anderen schied erst einmal aus.
Gaucks neuerliche Kandidatur - ein später Sieg der Gerechtigkeit
Nun Gauck. Ein Mann, der neugierig macht - und das personifizierte Kontrastprogramm zu Wulff. Ein später Sieg der Gerechtigkeit, ja auch das. Es ist kein Makel, im zweiten Anlauf das Ziel zu erreichen. So erging es einst auch von Weizsäcker und Rau.
Politisch unvergessen ist aber, dass vor allen Augen deutlich geworden ist, wie sich die Liberalen und die Christdemokraten entfremdet haben. Es ist nicht schlimm, dass Merkel und FDP-Chef Philipp Rösler für das höchste Staatsamt unterschiedliche Besetzungen im Kopf hatten. Das kann passieren. Nicht passieren sollte, dass sie ihren Dissens auf dem offenen Markt austragen und die Kür zur politischen Zerreißprobe wird. Gaucks Präsentation war eine Heuchelei. Erst musste die FDP die Königsmacherin spielen und Merkel zu ihrem Glück gezwungen werden.
Für einen Kandidaten, den alle Parteien tragen, sprechen das Wulff-Drama und nicht zuletzt die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung. Die FDP hat es erkannt. Es hatte seinen Grund, warum die CDU-Chefin eisern an Wulff festhielt. Es war die Vorahnung des Gezerres um seine Nachfolge? Merkel lässt sich selten ungeschminkt erwischen. Gestern war es so weit. Zu sehen war eine Taktiererin.