Berlin.. Führende Politiker der Union wollen überhaupt keinen Grund erkennen, warum der zurückgetretene Bundespräsident nicht bis zum Lebensende 200.000 Euro jährlich erhalten soll. Die große Mehrheit der Wähler sieht das völlig anders und wünscht sich Gauck als Wulff-Nachfolger.

Altbundespräsident Walter Scheel und eine große Mehrheit der Deutschen verlangen vom zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff, auf sein Ruhegeld zu verzichten. Scheel sagte der "Bild am Sonntag", er hoffe, dass Wulff "klug genug" sei, auf den sogenannten Ehrensold von derzeit 199.000 Euro im Jahr zu verzichten. "Damit könnte er beim deutschen Volk verlorenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen", sagte Scheel.

In einer Emnid-Umfrage forderten auch 78 Prozent der Befragten, dass Wulf auf die lebenslangen Bezüge verzichten soll. Nur 19 Prozent hielten die Pension für angemessen. SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte in der Frage äußerste Transparenz: "Ob Christian Wulff seinen Ehrensold erhält oder nicht - diese Entscheidung muss die Regierung öffentlich und juristisch nachvollziehbar begründen".

Nach geltender Rechtslage erhält ein Bundespräsident nach seinem Ausscheiden aus dem Amt bis an sein Lebensende einen Ehrensold in Höhe von 199.000 Euro pro Jahr, sofern er aus politischen oder gesundheitlichen Gründen zurücktritt. Dazu übernimmt der Staat die Sach- und Personalkosten für ein Büro mit Sekretariat, persönlichem Referenten und einem Fahrer. Nach Ansicht von Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier steht Wulff dieser Ehrensold zu. "Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln", sagte der CDU-Politiker. Für ihn sei "eindeutig", dass es ein Rücktritt aus politischen Gründen war. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erklärte, er sehe "keinen Grund" für einen Verzicht.

Nach Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" will die Bundesregierung der Zahlung eines Ehrensoldes für Wulff zustimmen. Das berichtete die Online-Ausgabe am Samstag unter Berufung auf ein Kabinettsmitglied. Der CDU-Politiker wurde mit den Worten zitiert, alles andere sei politisch eigentlich "undenkbar".

Nach Ansicht des FDP-Obmanns im Haushaltsausschuss des Bundestags, Jürgen Koppelin, entscheidet hingegen nicht die Bundesregierung über die Zahlung. Vielmehr obliege dies dem Haushaltsausschuss, erklärte Koppelin am Sonntag in Berlin. Und er werde der Zahlung des Ehrensolds nicht zustimmen. Wulff sei "rein wegen privater Dinge" zurückgetreten. Daher stehe ihm der Ehrensold nicht zu. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bestätige seine Haltung, so Koppelin.

Auch der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim bekräftigte seine Auffassung, dass Wulff laut Gesetz das Ruhegeld nicht zustehe, weil er aus persönlichen Gründen zurückgetreten sei. Alles, was Wulff vorgeworfen werde, "wurzelt in seiner Person, in seinem Verhalten als früherer Ministerpräsident und in den Vertuschungsversuchen während seiner Zeit als Bundespräsident", sagte von Arnim am Wochenende in mehreren Interviews.

Wulff hatte nach Amtsantritt Kürzung bei Ehrensold vorgeschlagen

Der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff  selbst ist vor anderthalb Jahren noch für eine Kürzung des sogenannten Ehrensolds eingetreten. In der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Wulff" kurz nach Amtsantritt sagte Wulff: "Ich denke, da muss ein Zeichen gesetzt werden. Das wird man verändern müssen." Auf die Frage, in welche Richtung dies gehen solle, sagte der damals frisch gewählte Bundespräsident: "Dass man dort Abstriche vornimmt." Auf die Nachfrage, ob dies auch finanziell gelten sollte, antwortete Wulff: "Ja sicher".

Während unter den Bundestags-Fraktionen die Suche nach einem Nachfolger entbrannt ist, scheinen die Präferenzen in der Bevölkerung sehr deutlich: Mehr als jeder zweite Befragte einer Emnid-Umfrage, die die Zeitung "Bild am Sonntag" in Auftrag gegeben hatte, will Joachim Gauck als Staatsoberhaupt. 54 Prozent wünschten sich den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler als neuen Bundespräsidenten.

Fast 80 Prozent wünschen sich bei Umfrage Wulff-Nachfolger außerhalb von Politik-Betrieb

An zweiter Stelle folgten mit 34 Prozent Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Die Zustimmung für Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lag bei 32 Prozent, darauf folgten Bundestagspräsident Norbert Lammert und der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer (beide CDU) mit jeweils 28 Prozent.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kommt in der Befragung auf 27 Prozent. Darauf folgten der CSU-Politiker und frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (20 Prozent), die Grünen-Politikerin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring Eckardt mit12 Prozent. Der ebenfalls in der Debatte um einen Wulff-Nachfolge in Berlin ins Gespräch gebrachte Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, auf nur 6 Prozent.  Trotz der Rücktritte zweier Bundespräsidenten in zwei Jahren sind die Deutschen weiterhin von der Relevanz des Amtes überzeugt. Auf die Frage, ob Deutschland einen Bundespräsidenten brauche, antworteten 69 Prozent mit Ja. Nur 30 Prozent waren der Meinung, Deutschland brauche keinen Bundespräsidenten.

Wer es allerdings werden soll, das ist offenbar noch völlig offen: Sowohl der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, als auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) haben offenbar eine mögliche Kandidatur bereits abgelehnt. Als möglicher Kandidat galt weiterhin der frühere Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Gegen ihn gibt es jedoch Vorbehalte von Katholiken in der Union sowie von Liberalen, die den Kirchenmann beim Mindestlohn und anderen Themen für zu SPD-nah halten. (afp/dapd/WE)