Berlin. . Bei der Wahl eines Nachfolgers für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff kann die Koalition um Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr mit einer sicheren Mehrheit rechnen. In der Bundesversammlung ist der Vorsprung von Union und FDP auf höchstens drei Stimmen geschrumpft.
Eine Abstimmung ohne einen Konsenskandidaten ist für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse nicht erstrebenswert. Denn Schwarz-Gelb hat derzeit nur eine sehr knappe Mehrheit in der Bundesversammlung, die Wahl des neuen Präsidenten würde zur Zitterpartie. Besonders kritisch wäre es für Merkel, wenn der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck erneut als Kandidat von SPD und Grünen ins Rennen ginge - er hatte bereits 2010 Stimmen aus der FDP erhalten.
Die nächste Bundesversammlung muss nach dem Rücktritt von Christian Wulff nach 30 Tagen zusammentreten, also bis zum 18. März. Die Versammlung ist die 15. in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie kommt nur zur Wahl des Präsidenten zusammen und besteht aus den Bundestagsabgeordneten sowie ebenso vielen Vertretern der Bundesländer.
Mehrheit von Union und FDP ist auch höchstens drei Stimmen geschrumpft
Die nächste Bundesversammlung wird mit 1240 Mitgliedern etwas kleiner sein als die, die im Juni 2010 Wulff zum Nachfolger von Horst Köhler gewählt hatte. Weil der Bundestag nach dem Rückzug von Ex-Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und einer Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz nur noch 620 statt 622 Mitglieder hat, wird auch die Zahl der Ländervertreter entsprechend reduziert.
Nach einer Hochrechnung des Portals wahlrecht.de wird die Koalition aus CDU, CSU und FDP in der 15. Bundesversammlung voraussichtlich nur über 622 bis 624 Sitze haben, um im Alleingang einen Kandidaten durchzusetzen. Das sind ein bis drei Stimmen mehr als die in den ersten zwei Wahlgängen erforderliche absolute Mehrheit von derzeit 621 Stimmen. Im dritten Wahlgang reicht dann die einfache Mehrheit für die Wahl eines neuen Präsidenten.
Möglicher Machtwechsel im Saarland hat keine Einfluss auf Präsidentschaftwahl
Die SPD dürfte demnach 329 bis 330 Stimmen haben, die Grünen 146 bis 147. Die Linkspartei würde 125 Vertreter entsenden, weitere 16 kämen von kleineren Parteien, die in einigen Landtagen sitzen. Dazu zählen der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) aus Schleswig-Holstein und die Piraten, die im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten sind.
Für die parteipolitische Zusammensetzung der Bundesversammlung sind die jeweils aktuellen Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Landesparlamenten entscheidend, wobei sich die genaue Verteilung der Ländervertretermandate auf die einzelnen Bundesländer prozentual aus deren Anteil an der Gesamtbevölkerung Deutschlands errechnet - also von neuen Daten leicht verändert werden kann.
Auch unvorhergesehene Veränderungen der Mehrheiten in einzelnen Landtagen, etwa durch den Fraktionswechsel von Abgeordneten, können die Zusammensetzung der Bundesversammlung bis zu ihrem Zusammentritt noch beeinflussen. Größere Änderungen durch Wahlen stehen aber nicht mehr an. Die nächste Landtagswahl im Saarland ist für den 25. März und damit nach der Bundesversammlung anberaumt. (afp)