Berlin. Während Oppositionspolitiker weiter mögliche Szenarien für einen Rücktritt des Bundespräsidenten diskutieren, will Christian Wulff seine Kredit- und Medienaffäre offenbar aussitzen. „In einem Jahr ist das alles vergessen“, soll er einem Zeitungsbericht zufolge seinen Mitarbeitern gesagt haben.

In der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff hat Grünen-Chefin Claudia Roth Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, sich im Falle eines Rücktritts von Wulff um einen gemeinsamen Kandidaten von Regierung und Opposition zu bemühen. In diesem Fall brauche es einen "glaubwürdigen gemeinsamen Kandidaten", sagte Roth der "Welt am Sonntag". Wulff selbst hofft laut "Bild am Sonntag", die Affäre im Amt zu überstehen.

Roth sagte der "WamS" weiter, sollte die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten nötig werden, erwarte sie, dass Merkel "auf die politischen Kräfte in diesem Land zugeht mit einem wirklichen Interesse an einem überzeugenden und glaubwürdigen gemeinsamen Kandidaten für das Schloss Bellevue". Der von SPD und Grünen im vergangenen Jahr nominierte Joachim Gauck wäre "ein idealer Bundespräsident gewesen", fügte Roth hinzu. "Aber die Kanzlerin hat leider machtstrategisch agiert, und ich kann sie nur warnen, dies wieder zu tun."

Wulff "fehlen Würde und Glaubwürdigkeit"

Die Grünen-Vorsitzende kritisierte Wulff scharf: "Herr Wulff hat die politische und moralische Autorität verloren, ihm fehlen Würde und Glaubwürdigkeit", sagte Roth. "Wenn sich herausstellt, dass Herr Wulff die Unwahrheit gesagt hat, sollte er für sich die notwendigen Konsequenzen ziehen." Dasselbe gelte, wenn er gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe. Es könne nicht sein, dass sich Wulff "larmoyant als Opfer" inszeniere. Angesichts der vielen offenen Fragen lasse sich das "nicht einfach aussitzen", sagte Roth.

Am Samstag hatten Vertreter der Regierungskoalition vehement bestritten, dass bereits Absprachen für den Fall eines Rücktritts von Wulff getroffen wurden. Zwei Zeitungen hatten gemeldet, die Koalition strebe im Fall eines Wulff-Rücktritts einen Kandidatenvorschlag an, der auch für die SPD akzeptabel wäre.

"Stahlgewitter bald vorbei"

Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, soll Wulff auf einem Neujahrsempfang für seine Mitarbeiter am Freitagnachmittag gesagt haben: "In einem Jahr ist das alles vergessen." Der Präsident habe versichert, er wolle bis 2015 einen guten Job machen und sei zuversichtlich, "dass dieses Stahlgewitter bald vorbei ist". Nach Informationen der Zeitung treibt Wulff mit seinem Staatssekretär Lothar Hagebölling die Planungen für das neue Jahr voran. Besonders im Fokus stehe dabei der Empfang für die Angehörigen der Opfer des Zwickauer Neonazi-Trios am 23. Februar.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte in der "BamS" Neuwahlen für den Fall eines Rücktritts Wulffs. "Die Affäre Wulff ist jetzt auch eine Affäre Merkel." Sie habe "erhebliche Zweifel", dass der Bundespräsident die Affäre überstehe.

Weiterer Anruf auch bei Springer-Chef Döpfner

In seinem umstrittenen Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann soll Wulff nach Informationen des "Spiegel" um eine Verschiebung der Privatkredit-Geschichte gebeten haben, zugleich aber mit strafrechtlichen Folgen gedroht haben. Das Magazin bezieht sich auf eine ihm vorliegende Abschrift der Nachricht, die Wulff bei seinem Anruf Mitte Dezember auf der Mailbox von Diekmann hinterließ.

Wie der "Spiegel" weiter berichtete, hinterließ Wulff auch bei Springer-Chef Mathias Döpfner eine Nachricht auf der Mailbox. Die Wortwahl des Präsidenten sei dabei ähnlich ausgefallen wie gegenüber Diekmann. (afp)