Essen/Kairo. . Beeindruckende und begeisternde Bilder aus dem „Arabischen Frühling“ zeigen immer auch Frauen: Bei den Demonstrationen in Tunis, beim Volksaufstand in Libyen und im Jemen, bei den jüngsten Protesten in Ägypten. Eine gute Bildung ist der Motor des breiter werdenden Protests.

Maya Morsy (38) ist sicher, dass der Kampf um Frauenrechte in Ägypten und damit vielleicht in der ganzen arabischen Welt eine neue Dimension erreicht hat. „Frauen waren in Ägypten vom ersten Protesttag am 25. Januar an dabei. Aber jetzt, seit diesem Dienstag, ist es der Kampf aller Frauen, ob jung oder alt, arm oder reich, verschleiert oder mit offenem Haar. Der Kampf für die Würde und die Grundrechte der Frau. Kein von Organisationen, Aktivisten oder Parteien organisierter, sondern ein völlig unabhängiger, cross-kultureller Protest.“

Maya Morsy gehört zum arabischen Komitee von UN Women, die sich weltweit für die Rechte von Frauen einsetzen. Ausgelöst war der Marsch am Dienstag durch die extreme Gewalt von Militärs gegen eine Demonstrantin.

Kampf um Würde und politische Rechte

Das erste Signal für den Kampf um Würde und politische Rechte, so Morsy, ging freilich von den mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Frauen im Jemen aus. Die Journalistin Tawakkul Karman, eine lebhafte 32-Jährige, nahm den Preis erst vor wenigen Wochen in Oslo entgegen. Die meisten Frauen im Jemen zeigen ihr Gesicht nicht. Sie tragen den schwarzen Niqab, ein bodenlanges Gewand, das nur einen Schlitz für die Augen hat. Karman trägt meist ein buntes Kopftuch – sie will frei atmen und der Welt ihr Gesicht zeigen.

Dass die engagierten Frauen in der arabischen Welt einander inspieren, Mut machen, hält Maya Morsy für naheliegend. Ob es auch eine Wechselwirkung mit den Bewegungen in Italien und der Ukraine gibt, wo es auch um Würde geht, mag sie nicht beurteilen.

Ansprüche auf Mitbestimmung

In vielen verschiedenen Ländern melden Frauen Ansprüche auf mehr politische Beteiligung und Mitbestimmung an. So unterschiedlich dieser Länder auch sein mögen, es gibt Gemeinsamkeiten: Die Frauen, die auf die Straße gehen, stammen häufig aus den größer werdenden Mittelschichten. Sie haben eine bessere Ausbildung als Frauen sie früher hatten und dementsprechend auch mehr Selbstbewusstsein.

Schon vor 20 Jahren gab es in Pakistan kleinere Demonstrationen zum Weltfrauentag. Aber viele von den Frauen, die damals öffentlich ihre Meinung vertraten, hatten im Ausland gelebt und studiert, und sie gehörten zu den Eliten.

Heute haben solche Demonstrationen mehr Teilnehmer, und die Frauen kommen direkt aus der Mitte der Gesellschaft.

Frauen-Protest beeindruckt

In Ländern wie Iran, Ägypten oder Pakistan ist dieser massive Frauen-Protest ein neues Phänomen. Er beeindruckt diese Gesellschaften sehr. Denn die liberalen Mittelschichten in diesen Ländern werden sich durch die demonstrierenden Frauen bestätigt sehen, und die Konservativen werden ebenfalls genau hinsehen und feststellen: Wenn jetzt sogar Frauen anfangen, sich zu wehren, dann gibt es wirklich gravierende Probleme.

Es gibt aber auch Unterschiede, wenn wir die Frauen-Proteste in Italien und in Ägypten betrachten. In Italien wenden sich Frauen gegen die sexistischen Äußerungen ihres früheren Ministerpräsidenten, gegen Sex mit Minderjährigen und wüste Partys. Solche Dinge würden in vielen anderen Ländern entweder gar nicht vorkommen oder sie würden nicht bekannt werden.

Konservative sind entrüstet

In Ägypten protestieren Frauen gegen die politischen Verhältnisse, aber in den letzten Tagen auch besonders gegen die Gewalt, die manchen Frauen durch Vertreter des Staates angetan wird. Wenn Soldaten einer Frau die Kleider herunterreißen und sie verprügeln, dann gibt es in jedem Land Proteste, aber im konservativen Ägypten ist die Empörung noch größer. Es gab dort schon andere Fälle, in denen Frauen verhaftet und vor den Augen von Soldaten und Ärzten so genannten „Jungfrauentests“ unterzogen wurden. Solche Misshandlungen akzeptiert die ägyptische Gesellschaft nicht.