Johannesburg/Kairo. . Mit dem Friedensnobelpreis für Ellen Johnson Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkol Karman sind am Freitag stellvertretend mutige Frauen auf der ganzen Welt geehrt worden. Ihr friedlicher Kampf für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie ist beispielhaft.
Eine schutzbedürftige filigrane Dame ist sie bestimmt nicht, die da mit breiten Schultern und mürrischem Gesicht hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch im Präsidentenamt der liberianischen Hauptstadt Monrovia hockt: Zumindest zu Beginn des Gesprächs zeigt sich die Grande Dame mit der Büffelstatur eher grantig: „In einem Land, das gerade aus dem Krieg gekommen ist, will ich nicht den Eindruck erwecken, dass ich schwach bin und nicht dieselben harten Entscheidungen wie ein Mann treffen kann”, sagt sie zur Begründung.
Niemand soll oder kann daran zweifeln, dass es Ellen Johnson-Sirleaf in der Männerwelt zu etwas gebracht hat: Sie studierte an der amerikanischen Elite-Universität Harvard, brillierte als Ökonomin bei der City Bank sowie bei der Weltbank und war immerhin 30 Jahre lang in der politischen Arena ihres Landes aktiv. Einmal war sie auch – in einer Zelle voller Männer – eingesperrt. „Eiserne Lady” wird die heute 72-Jährige von ihren Landsleuten genannt.
Doch das ist nicht alles. Sie heißt auch „Ma Ellen” – und nicht nur, weil es sich bei ihr um die erste gewählte Präsidentin Afrikas handelt. Die seit fünf Jahren regierende bullige Staatschefin kann auch eine weiche Seite zeigen. „Dieses Land braucht Heilung”, sagt die Mutter von vier Kindern: „Die vielen traumatisierten Frauen und Kinder in diesem Land müssen wissen, dass es jemanden gibt, die sich um sie kümmert.” 14 Jahre Bürgerkrieg hatten aus dem westafrikanischen Kleinstaat bis zum Abtritt des Kriegsfürsten Charles Taylor im Jahr 2003 eine Nation leiblicher und seelischer Krüppel gemacht: Drei von vier liberianischen Frauen wurden Opfer von Vergewaltigungen, eine Viertel Million Menschen starben.
Leymah Roberta Gbowee
Leymah Roberta Gbowee war 17 Jahre alt, als der Krieg in Liberia ausbrach: „Ich bin innerhalb von Stunden von einem Mädchen zur Erwachsenen geworden.” Gbowee floh aus ihrem zerstörten Dorf in die Hauptstadt Monrovia. Sie ließ sich zur Trauma-Beraterin ausbilden und versuchte, die Aussteiger unter Taylors Kindersoldaten zu Verstand zu bringen. Ihr wurde jedoch klar, dass es mit der Versorgung der Opfer nicht getan war. Jemand musste den Grund für den Wahnsinn stoppen. „Wenn diese Gesellschaft verändert werden konnte, dann nur von Frauen”, sagt die Mutter von sechs Kindern.
Gbowee schloss sich einer christlichen Frauengruppe an und gründete schließlich ihre eigene Organisation, die alle religiösen und ethnischen Bevölkerungsgruppen Liberias umfassende „Massenaktion für den Frieden”. Die Aktivistinnen trafen sich zu Gebets- und Protestveranstaltungen, suchten die Männer des Landes durch einen „Sexboykott” zur Beendigung des Krieges zu zwingen und setzten eine Begegnung mit Charles Taylor durch. Den mittlerweile zum Präsidenten gewählten Kriegsfürsten konnten sie zu Friedensverhandlungen in Ghana überreden. Taylor unterzeichnete einen Friedensvertrag und ging ins nigerianische Exil.
Inzwischen hat Leymah Gbowee das „Afrikanische Netzwerk für Frauen, Frieden und Sicherheit“ mit Sitz in der ghanaischen Hauptstadt Accra gegründet. Das Tätigkeitsfeld hat sich damit auf den gesamten Kontinent ausgedehnt: In allen afrikanischen Krisen könnten Frauen eine wesentlich größere Rolle spielen. „Wir haben gezeigt, dass wir unsere Macht sehr viel effektiver einsetzen können, als wir uns je hätten träumen lassen“, sagt die Friedenskämpferin – ob das nun im Kongo, in Somalia oder in der Elfenbeinküste sei.
Für Ellen Johnson-Sirleaf hätte die Preisverleihung zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Am Dienstag finden in Liberia Wahlen statt und der Erfolg ihrer Regierungszeit ist keineswegs unumstritten. Der Präsidentin wird eine nicht immer ganz transparente Regierungsführung vorgeworfen, auch habe sie vor fünf Jahren versprochen, nur eine Amtszeit anzustreben. Sie kandidiert wieder.
Tawakkol Karman
Viel war im Vorfeld spekuliert worden: Wer von den Aktivisten des Arabischen Frühlings würde den Friedensnobelpreis wohl bekommen? Die Wahl des Nobelkomitees fiel auf eine junge Frau, die in Jemens Hauptstadt Sanaa in einem Zelt lebt. Mutter dreier Kinder, stets in die landesübliche schwarze Abaya gekleidet, kombiniert mit einem bunten Kopftuch. Zusammen mit zehntausenden Mitstreitern kämpft Tawakkol Karman seit acht Monaten für den Sturz von Präsident Ali Abdullah Saleh, der das Land seit 33 Jahren beherrscht.
Die 32-Jährige ist die wichtigste Stimme der jemenitischen Jugendbewegung und die erste arabische Frau, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Seit Jahren hat sie sich als mutige Menschenrechtlerin einen Namen gemacht, war 2005 die Mitbegründerin der Organisation „Journalistinnen ohne Ketten“. „Ich widme den Preis dem arabischen Frühling“, erklärte die Geehrte auf dem so genannten „Platz der Veränderung“ inmitten der Zeltstadt der Protestierer. Der Nobelpreis sei ein Sieg für die jemenitische Revolution und ihren friedlichen Charakter. „Wir wollen einen modernen und demokratischen Jemen“, rief die eloquente Gegenspielerin des Regimes.
Als Karman am 23. Januar verhaftet wurde, musste das Saleh-Regime sie nach 36 Stunden laufen lassen. Im ganzen Land kam es zu Demonstrationen – für den Jugendaufstand gegen das Regime war das die Initialzündung.
„Ich will für meine Kinder ein neues Jemen erkämpfen“, sagt die studierte Politikwissenschaftlerin. „Die Eiserne“, wie sie genannt wird, verkörpert das Durchhaltevermögen der jungen Revolutionäre, von denen mehr als die Hälfte arbeitslos ist. „Wir werden nicht weichen, bis alle Ziele der Revolution erreicht sind“, bekräftigt sie. Das heißt: Der Sturz des Regimes, die Bildung eines nationalen Übergangsrates aus unbelasteten Persönlichkeiten sowie ein Strafprozess gegen Präsident Saleh.
Bruder entführt
Doch die Machthaber lassen nicht locker. Noch letzte Woche ließen sie von den Dächern auf die Demonstranten schießen. Tawakkol Karman erhält Drohungen per SMS. In ihre Wohnung wurde eingebrochen, ihr Bruder von der Staatssicherheit gekidnappt. Ihre drei Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren kann sie nur unter konspirativen Umständen sehen. „Das gehört zu dem Preis, den wir für unseren friedlichen Kampf für Demokratie und Menschenrechte zahlen müssen“, sagt sie.