Berlin. Deutsche Politiker machen sich Hoffnung, die rechtsradikale NPD doch noch verbieten lassen zu können. Anlass dazu ist die Festnahme eines NPD-Funktionärs im Zusammenhang mit der rechtsextremen Mordserie. Doch das Problem mit den V-Leuten in der Partei besteht noch immer.
Die rechtsextreme NPD muss mit einem neuen Parteiverbotsverfahren rechnen. Nach der Verhaftung des Jenaer NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben als mutmaßlichem Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Zelle halten Bund und Länder eine neue Qualität der Bedrohung für möglich. Zudem soll es mindestens einen weiteren, noch nicht festgenommenen Terrorhelfer aus den Reihen der NPD geben, wie am Mittwoch in Berlin bekannt wurde.
Mittlerweile arbeiten mehr als 400 Beamte an der Aufarbeitung der braunen Terrorspur, in Kürze sollen weitere 50 hinzukommen. Unklar ist nach wie vor, ob die Zwickauer Zelle allein gearbeitet hat oder Teil eines größeren Netzwerkes war, wie der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte.
Für Verstimmung unter den Abgeordneten sorgte die Entscheidung der Länder, ihren Chefs der Landeskriminalämter (LKA) keine Aussagegenehmigung für Berlin zu erteilen. Vor diesem Hintergrund wurde der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestages lauter. Diesen Weg lehnte die Union genauso ab wie die Ernennung eines parlamentarischen Sonderermittlers. Für einen Untersuchungsausschuss muss lediglich die Opposition sich einigen, doch bevorzugt die SPD eine Bund-Länder-Kommission, in die beide Seiten Experten berufen sollen.
Kurs auf neues Verbotsverfahren
Zuversichtlich zeigten sich Politiker aus Bund und Ländern, dass im Zuge der Ermittlungen ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD in Karlsruhe angestrengt werden kann. So sei man absehbar nicht mehr auf die Informationen der Geheimdienste, sondern die Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft angewiesen, sagten Abgeordnete verschiedener Fraktionen. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Überwachung der Geheimdienste, der SPD-Politiker Thomas Oppermann, fügte hinzu: "Wir haben heute erfahren, dass NPD-Mitglieder - nicht nur unter den bisher Festgenommenen - auch Teil des braunen Unterstützungsnetzwerkes gewesen sind."
Skeptisch äußerten sich der Karlsruher Verfassungsrechtler Christian Kirchberg und Ex-Generalbundesanwalt Kay Nehm. Kirchberg betonte, bei einem zweiten Verbotsanlauf müsse es mehr Belastendes als 2003 geben. Dieses "Mehr" müsse im aktiven Verhalten der NPD-Anhänger liegen. "Der Fall des verhafteten Ex-Funktionärs allein ist dazu aus meiner Sicht noch nicht geeignet", sagte Kirchberg den "Stuttgarter Nachrichten" (Donnerstagausgabe). Nehm ergänzte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der notwendige Abzug der V-Leute werfe die Frage auf, "aus welcher Quelle die erfolgsversprechende Begründung gespeist werden soll".
Innenausschuss bestreitet neue Enthüllungen
Für Wirbel sorgte ein Medienbericht, wonach Verfassungsschützer möglicherweise den von Neonazis begangenen Mord auch an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter beobachtet haben sollen. Das berichtet das Hamburger Magazin "Stern" unter Bezug auf einen geheimen Observationsbericht eines US-Militärgeheimdienstes. Der Innenausschuss hat dafür indes keinen Beleg. SPD-Ausschussmitglied Michael Hartmann sagte zu dem Bericht, er gehe nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen "nicht davon aus, dass diese Informationen hart bestätigt werden können".
Neu belebt wurde indes der Streit über die Vorratsdatenspeicherung. Während die Union angesichts der neuen Erkenntnisse über die Neonazi-Szene ihre Forderung nach umfassender Datenspeicherung bekräftigte, blieb die FDP skeptisch. Auch in der Debatte über eine mögliche Neuordnung der 16 Landesämter für Verfassungsschutz zeichnete sich keine Annäherung ab. (dapd)