Berlin. . Die Festnahme desJenaer NPD-Funktionärs Ralf W.wird als wichtiger Schritt hin zu einem möglichen neuen NPD-Verbotsverfahren gesehen. W. soll ein Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Zelle gewesen sein. Die Bundesjustizministerin ist mit einer zentralen Neonazi-Datei einverstanden.
Die Festnahme des Jenaer NPD-Funktionärs Ralf W., der ein Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Zelle gewesen sein soll, wird als wichtiger Schritt hin zu einem möglichen neuen NPD-Verbotsverfahren gesehen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte der „Welt“, wenn es einen belastbaren Zusammenhang zwischen der NPD-Mitgliedschaft und der Terrorgruppe NSU geben sollte, wäre das ein wichtiges Argument für ein Verbotsverfahren.
Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, sagte MDR Info, das erste NPD-Verbotsverfahren 2003 sei gescheitert, weil „das Gericht im Unklaren gelassen wurde, von wem die Texte stammen“, auf die sich der Verbotsantrag gestützt habe. Es sei nicht zu klären gewesen, ob als Urheber ein V-Mann oder ein NPD-Funktionär infrage komme. Er hält ein neues Verbotsverfahren nunmehr für aussichtsreich.
Allerdings gibt es nach Angaben des Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, noch kein zentrales Register mit einer bundesweiten Auflistung von V-Leuten. Auf Bundesebene sei nur die Zahl der Informanten in der NPD bekannt, „wir wissen nicht, wer diese V-Leute sind“, sagte der CDU-Politiker. Diese würden von 16 Landesämtern für Verfassungsschutz geführt. Die Gesamtzahl der aktiven V-Leute bezifferte er mit knapp unter 100.
Bundesjustizministerin ist mit zentraler Neonazi-Datei einverstanden
Bei der von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geplanten zentralen Neonazi-Datei zieht die Koalition offenbar an einem Strang. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur, sie sei einverstanden, wenn mit Hilfe einer zusammengeführten Datenbank die Informationen über Neonazis, Kameradschaften und gewalttätige Rechtsextreme verbessert werden könnten. Sie habe den Gesetzentwurf ihres Kabinettskollegen am Dienstagabend erhalten und werde sich nun damit befassen.
In der Datei sollen detaillierte Informationen über rechtsextreme Gewalttäter, Helfershelfer und Kontaktleute gespeichert und den Geheimdiensten in Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden. Vorbild des Registers ist die bereits existierende Anti-Terror-Datei über gewaltbereite Islamisten, die als Reaktion auf die Terrorangriffe in den USA vom 11. September 2001 eingerichtet wurde. Eine solche Verbunddatei zum Rechtsterrorismus gibt es bisher nicht, weil die Behörden bisher offensichtlich annahmen, es handele sich um ein Randphänomen. Neue Zahlen aus dem Innenministerium belegen jedoch, dass die rechte Szene in Deutschland gewaltbereit und koordiniert vorgeht.
Neonazis rüsten auf
Nach Informationen der „Berliner Zeitung“ haben die Behörden in den vergangenen zwei Jahren mehr als 800 Waffen bei Rechtsextremisten sichergestellt, darunter Kriegswaffen. Das gehe aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Die Innenexpertin der Linken, Ulla Jelpke, wertete die Waffenfunde als Beleg dafür, „dass die militante Rechte massiv aufrüstet“, wie sie der Zeitung sagte. Auch organisatorisch rüsten die Neofaschisten offenbar auf. Laut Bundesanwaltschaft werden seit dem Jahr 2001 gegen 13 Gruppierungen Verfahren nach Paragraf 129 a („Bildung einer terroristischen Vereinigung“) geführt, wie die Zeitung weiter berichtet.
Unterdessen führt eine neue Spur bei den Ermittlungen zur Zwickauer Neonazi-Terrorzelle in die Schweiz. Die drei Terroristen vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) sollen bei einem Urlaub auf der Insel Fehmarn ein Auto mit Schweizer Kennzeichen benutzt haben, berichtet der MDR Thüringen aus Ermittlerkreisen. Grundlage seien Aussagen von Zeugen, die die drei Terroristen auf Fehmarn kennengelernt hatten. Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatten seit 2005 regelmäßig Urlaub auf der Ostseeinsel gemacht. Nach Recherchen des Senders gibt es seit Jahren Verbindungen aus der Schweiz in die rechtsextreme Szene Thüringens. (dapd)