Berlin. Neonazis planten Anschläge auf dutzende Parteibüros in NRW. Die Gebäude finden sich auf einer Liste, mit mehr als 10.000 potenziellen Anschlagszielen, die Ermittler des Bundeskriminalamts bei den Rechtsextremen gefunden haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass Parteibüros attackiert werden.
Dutzende Parteibüros von SPD und CDU standen in NRW nach Informationen der WAZ im Fokus von Rechtsterroristen. Dies geht aus einer Liste mit 10.000 potentiellen Zielen hervor, die das Bundeskriminalamt im Zuge der Ermittlungen gegen den Nationalsozialisten Untergrund (NSU) gefunden hat.
Derzeit informiert die Polizei in NRW etwa 2500 Personen und Institutionen, die auf dieser Liste standen über die Bedrohungslage.
Nach Informationen des Landeskriminalamtes (LKA) besteht allerdings keine besondere Gefahr. „Wir haben keinen konkreten Hinweis auf aktuelle Anschlagspläne“, sagte ein Sprecher des LKA. SPD und CDU bestätigten, Büros ihrer Parteigliederungen im ganzen Land wären betroffen. Nach Auskunft des LKA seien zudem Büros von allen Parteien auf diesen Listen zu finden. Es handele sich bei der Liste also eher um eine lose Sammlung von Adressen als um konkrete Planungsunterlagen für Anschläge.
In der Vergangenheit gab es Angriffe auf Parteibüros
Kein Grund zur Unruhe also, hätten nicht in der Vergangenheit wiederholt rechtsradikale Extremisten Büros demokratischer Parteien unter anderem im Ruhrgebiet angegriffen. Ein Sprecher der Linkspartei erinnerte zum Beispiel daran, dass im Raum Dortmund Büros seiner Partei mit Farbbeuteln und Steinen attackiert wurden. Einrichtungen der Linken seien „sogar mit Schüssen angegriffen“ worden. Die Attacken auf demokratische Organisationen haben vor allem in Ostdeutschland Vorbilder. Dort zählten Ermittler in den vergangenen Jahren hunderte Angriffe auf Büros von Parteien. Ausgeführt wurden diese von rechtsradikalen Kameradschaften oder Neonazis aus dem NPD-Umfeld. Die Polizei konnte nur in wenigen Fällen Täter ermitteln. Es flogen Steine, Farbbeutel und Brandsätze.
Die Angreifer haben hier bewiesen, dass sie gewalttätig sind. Es gibt vielfältige Vernetzungen der Kameradschaften zu Neonazis im Ruhrgebiet. Dennoch gebe nach Auskunft des LKA keinen Zusammenhang zwischen den rechtsextremistischen Angriffen auf die Parteibüros im Osten, den Attacken auf Parteibüros im Ruhrgebiet und der nun bekannte Liste der Rechtsterroristen.
Dortmund als regionaler Schwerpunkt der Bedrohungslage
Allerdings führte der Präsident des Bundeskriminalamt (BKA), Jörg Ziercke, vor dem Bundestag aus, dass erneut Dortmund einer der regionalen Schwerpunkte der Bedrohungslage. Von den rund 10.000 möglichen Angriffszielen, die sich die Rechtsterroristen des NSU aufgeschrieben hätten, seien in Dortmund 37 mögliche Adressen auszumachen. Für München gebe es 88 Einträge. Für Nürnberg sechs. Nach Auskunft des BKA seien die Daten jedoch nicht mehr aktuell. Es gebe keine besondere Bedrohungslage.
Zum größten Teil stammten die nun festgestellten Listen aus dem Jahr 2005. In Dortmunder Nordstadt wurde der türkischer Kioskbesitzer im Rahmen der Döner-Mordserie im April 2006 erschossen.
BKA will alle Morde in zentraler Datei erfassen
Unterdessen will das BKA nun in einer zentralen Datei alle Morde erfassen, bei denen ein Rechtshintergrund möglicherweise zu unrecht oder zu früh ausgeschlossen wurde. Das BKA will damit unter anderem untersuchen, ob es weitere Morde gab, bei denen nun nachgefasst werden muss.
Grund für diese systematische Suche gibt es: So hat das BKA im Schutt des gesprengten Terrorhauses in Zwickau eine DVD mit dem Hinweis „Fortsetzungs-DVD“ gefunden. Diese DVD sei aber so stark beschädigt, dass sie noch nicht ausgewertet sei, sagte der Präsident des BKA, Ziercke. Auf der Fortsetzungs-DVD könnte also weiteres Material über den Mord an der Polizistin in Heilbronn sein – so wie es auf der ersten DVD mit dem Titel „Frühling“ angekündigt war.
Überfall auf Tunesier in Dortmun könnte neu aufgerollt werden
Auf der zweiten DVD könnten aber auch Hinweise auf weitere Morde zu finden sein, die noch nicht enttarnt ist. So hat das BKA zwar die Tatwaffen im Fall der Döner-Morde und der ermordeten Polizistin bereits identifiziert. In den Überresten des rechtsradikalen Unterschlupfs seien aber noch weitere Waffen gefunden worden, die eventuell noch weiteren Straftaten zugeordnet werden könnten.
Ein Fall, der bei einer systematischen Untersuchung rechtsradikaler Verbrechen wieder auf den Tisch kommen könnte, stammt aus Dortmund. Hier wurde in einer PLUS-Filiale Anfang 2007 ein Tunesier von einem rechtsradikalen Täter niedergeschossen. Bislang hieß es immer, bei dem Überfall habe es sich um einen misslungenen Raubüberfall gehandelt, nicht um ein Neonazi-Verbrechen.