Berlin. . Während die FDP wenigen Wochen vor der Landtagswahl in Berlin bangt, ihre Sitze im Abgeordnetenhaus zu verlieren kann die Piratenpartei träumen, dort einzuziehen: Die jüngste Wahlumfrage die Piraten bei 4,5 Prozent - deutlich vor der FDP.
Seit fünf Jahren dümpelt die Piratenpartei bereits durch die deutsche Politik, kaum ernst genommen von den etablierten Parteien. Doch bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus könnten die „Piraten“ ihren ersten großen Coup landen. Im aktuellen ZDF-Politbarometer für die Berliner Abgeordnetenhauswahl in drei Wochen kommen die „Piraten“ nun auf stolze 4,5 Prozent - und lassen damit die Berliner FDP klar hinter sich, die derzeit nur 3,5 Prozent verbucht.
Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die Partei mit dem Motto „Klarmachen zum ändern“ bundesweit zwei Prozent geholt, in Berlin erhielt sie damals 3,4 Prozent. Bis zur Wahl am 18. September wollen die Piraten, die bevorzugt im Internet unterwegs sind, auf ihre ganz eigene Art überzeugen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die fünf Prozent schaffen“, sagte ihr Bundesvorsitzender Sebastian Nerz schon einmal selbstbewusst.
Vor allem für die FDP, die um den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus bangt, sind die „Piraten“ eine Gefahr - schließlich fischt die junge Partei ebenfalls im liberalen Lager nach Stimmen. Ihre radikale Auslegung des Freiheitsbegriffs dürfte den klassischen FDP-Wähler vermutlich weniger ansprechen, wohl aber das junge Publikum der sozialen Internet-Netzwerke.
Piraten mit ‘selbstgestrickten’ Wahlplakaten
2006 in Berlin gegründet, verstehen sich die „Piraten“ als Partei in der Informationsgesellschaft. „Transparenz“ und „Bürgerrechte“ nennt Nerz als wesentliche Eckpfeiler im Programm. Seit der Bundestagswahl 2009 sei die Partei bei allen Landtags- und Kommunalwahlen angetreten, sagt der Parteichef: „Überall konnten wir Mandate erringen.“ Dieses Jahr stehen neben Berlin noch die Kommunalwahlen in Niedersachsen und die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern an. Die Piratenpartei ist auch hier am Start.
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Dabei setzt sie auf den Charme des Unvollkommenen. Auf ihren rund 12.000 Wahlplakaten in Berlin sind die Menschen nicht in Szene gesetzt, sondern wie zufällig fotografiert. Statt eine teure Werbeagentur zu beauftragen, gestalteten die „Piraten“ ihre Plakate selbst. Ein Wahlslogan lautet: „Warum häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen. Piraten wählen“. Das Gegenmodell zum Hochglanzplakat der etablierten Parteien sei bewusst gewählt, sagt Merz: „Wir haben zwar auch wenig Geld, aber wir wollten mit den Plakaten auffallen und zeigen, dass wir eine andere Politik machen.“
Piraten-Einzug in Bezirksparlamente sehr wahrscheinlich
Simon Weiß, einer der Kandidaten für das Abgeordnetenhaus, nennt einige Programmpunkte für den Wahlkampf: „Wir wollen das Ausländerwahlrecht einführen, die Altersgrenze fürs Wählen abschaffen, ein Grundeinkommen einführen und den fahrscheinlosen Nahverkehr.“ Vorrangiges Ziel ist auch für ihn eine breite Bürgerbeteiligung über Internet-Foren und Transparenz in der Verwaltung, die alle Verträge veröffentlichen soll.
Einer, dem schon drei Prozent für ein politisches Mandat reichen würden, ist der Kandidat für die Bezirksverordneten-Versammlung Charlottenburg-Wilmersdorf, Siegfried Schlosser. Für die Bezirksparlamente gilt eine Drei-Prozent-Hürde, dort könnten künftig also durchaus bald „Piraten“ in den Reihen der Bezirksverordneten sitzen.
Der 56-jährige Programmierer hat im Frühjahr im Stadtteil Charlottenburg Stimmen gesammelt für die Zulassung der Piratenpartei zu den Berliner Wahlen. Sein Eindruck: „Die Reaktionen sind relativ positiv.“ Zwar würden rund 80 Prozent der Passanten „Nein danke“ sagen, von den restlichen zwanzig Prozent unterstütze aber die Hälfte das Antreten der Piratenpartei.
Die Politikverdrossenheit vieler Wähler sieht Parteichef Nerz denn auch als große Chance für den 18. September. Das frische Image soll den Piraten nun genügend Wähler bringen, um in drei Wochen tatsächlich das erste Landesparlament zu entern. (afp)